Immer mehr Anbieter von Maßkonfektion in Hamburg. Sie umgarnen nicht nur elitäre Kunden, sondern locken auch Durchschnittsverdiener.

Hamburg. Anzüge ab 399 Euro, Oberhemden für 79 oder 89 Euro. In der Sierichstraße 40 haben fünf Hamburger Freunde ihren Traum vom eigenen Unternehmen verwirklicht. Simon Schmidt, Rico Albert, Viktor Lis, Sebastian Schierenberg und Guilliero Thiemann betreiben dort mit Rooks & Rocks eine Maßschneiderei. Seit der Eröffnung am 10. November haben sie ihre Hemden und Anzüge bereits an mehr als 200 Kunden verkauft. "Wir waren überrascht, wie schnell sich unser Angebot herumgesprochen hat", sagt Schmidt, der Textilkaufmann ist.

Alle fünf Gründer haben neben dem Laden ein weiteres Standbein. Der Jurist Viktor Lis ist als Berater im Weinhandel aktiv, Albert arbeitet freiberuflich im Immobilienmanagement der Stadt Hamburg, während Schierenberg Kommunikationsdesign im Auftrag von Firmen betreibt. Einige Tausend Euro haben die fünf Unternehmer in den Umbau ihres Geschäfts und den dazugehörenden Onlineshop investiert. "Es wäre viel teurer geworden, wenn wir nicht vieles selbst gemacht hätten", so Albert. Unter anderem haben der Programmierer Thiemann und Schierenberg den Onlineshop konzipiert. Über ihr Freundesnetzwerk konnten die fünf auch Mitglieder der Band Deichkind für ein Fotoshooting gewinnen. Das Ergebnis ist auf der Homepage von Rooks & Rocks zu sehen. Im Februar findet ein weiteres Shooting mit prominenten Hamburgern statt.

Kunden brauchen zumindest beim Erstbesuch des Geschäfts in Winterhude viel Zeit. Sie werden vermessen, selbst die Breite der Schultern wird notiert. Das kann bis zu eineinhalb Stunden dauern. Danach können sie unter diversen Schnitten wählen und auch unter mehr als 100 Stoffen, Knöpfen und 30 verschiedenen Hemdkragen.

Beim zweiten Mal geht es übrigens schneller, weil die Daten bereits gespeichert sind. "Wir haben Stoffe für klassische Anzüge, aber auch Angebote für jüngere Kunden", sagt Schmidt. "Wer nur außerhalb der Öffnungszeiten kommen kann, für den können wir Termine am Abend anbieten." Der Anzug wird von einer Maßschneiderei in Shanghai genäht. "Die Lieferzeit liegt jetzt bei drei bis vier Wochen, aber wir peilen zwei bis drei an", sagt Schmidt, der den Kontakt zu dem chinesischen Betrieb hergestellt hat. Neben dem bisherigen Angebot, zu dem auch Krawatten gehören, auf deren Innenseite Pin-up-Girls zu sehen sind, planen die Jungunternehmer eine Ausweitung ihres Geschäfts. "Wir wollen in Zukunft auch Schuhe, T-Shirts, Boxershorts, Socken und Gürtel im Onlineshop verkaufen, während wir im Laden auf unser bisheriges Sortiment setzen", so Schmidt.

Hamburg gehört zu den deutschen Hochburgen für Maßbekleidung und Einzelstücken von jungen Designern. Und es werden immer mehr. Während Rooks & Rocks sich ausschließlich auf Herrenmode spezialisiert hat, kleidet Torsten Kirsch am Hofweg seit 1990 Damen der feinen Gesellschaft in der Stadt ein. Seine Kundinnen? Das ist sein Geheimnis. "Die Damen mögen es nicht, wenn ihre Namen veröffentlicht werden." Kirschs Arbeit ist manchmal sehr anspruchsvoll. "Der Maßanzug muss auch bei Größe 48 passen. Da fängt es an, interessant zu werden." Auch für Frauen mit großen Oberweiten findet er passende Lösungen.

699 Firmen für Maßanfertigungen sind bei der Hamburger Handwerkskammer gelistet. Die meisten davon leben allerdings von der Änderungsschneiderei. Aber die Zahl der Betriebe, die ausschließlich Maßkonfektion oder selbst entworfene Bekleidung anbieten, wächst stetig. Zum Beispiel Tom Reimer. Der Herrenschneider aus dem Mittelweg wurde vom Magazin "Euro" als einer der 25 besten Maßschneider in Deutschland gekürt. In der gleichen Straße können sich Herren bei Campe & Ohoff Maßhemden schneidern lassen. TV-Größen wie Bettina Tietjen, Judith Rakers, Caren Miosga und Eckart von Hirschhausen sind Kunden vom Hamburger Designer Marc Anthony, während Bundeskanzlerin Angelika Merkel die Hamburger Designerin Bettina Schoenbach mit ihren klassischen Outfits bevorzugt.

Der europäische Marktführer mit 450 Mitarbeitern ist in diesem Segment das Unternehmen Dolzer, das vor 50 Jahren in Schneeberg im Odenwald gegründet wurde und mit seiner Deutschland-Zentrale in der Hansestadt ansässig ist. Anzüge für Damen und Herren gibt es ab 299 Euro. 16 Filialen betreibt das Unternehmen bundesweit, darunter seit 1997 auch ein Geschäft in Altona, die 17. Niederlassung wird im April in Konstanz eröffnet. In Hamburg will Dolzer jetzt weiter zulegen. "Wir suchen bereits nach Räumlichkeiten für eine Filiale nur für Damen", sagt Dolzer-Sprecherin Carina Holzherr. Zudem ist eine Expansion ins europäische Ausland geplant. Im ersten Schritt will das Unternehmen den britischen Schneidern Konkurrenz machen.

"Eleganz ist keine Frage des Preises", sagt Hella Rosenkranz. Maßgefertigte Bekleidung könne beim Preis mit Konfektionsware mithalten. Die Dortmunderin eröffnete im November 2011 ihr Geschäft in der Hamburger Kaiser-Wilhelm-Straße. Sie ist Mitglied in einem Designer-Netzwerk, das seit 15 Jahren in Deutschland am Markt ist. "Derzeit sind wir 14 Partner. Wir kaufen gemeinsam Stoffe ein, etwa von Cerruti und anderen hochwertigen Herstellern." Der Vorteil liege darin, dass die Bestellmenge größer und der Preis pro Meter damit geringer werde. Auch bei Schneidereien etwa in Deutschland, Polen und Kroatien tritt das Netzwerk gemeinsam auf. "Rund drei Wochen nach dem Maßnehmen ist das Modell zur Anprobe bereit", so Hella Rosenkranz. Kostüme sowie Anzüge für Damen und Herren gibt es ab 400 Euro. "Selbstverständlich fertigen wir auch Blazer, Röcke und Hosen einzeln."

Die fünf Gründer von Rooks & Rocks sind zuversichtlich, dass sie ihren Kundenstamm stetig ausbauen können. Bereits im Dezember, also kurz nach der Eröffnung ihres Unternehmens, wurde ihr Firmenkonzept von den Wirtschaftsjunioren der Hamburger Handelskammer mit dem Gründerpreis ausgezeichnet. "Im eher klassisch geprägten Marktumfeld der Herrenausstatter können die fünf Gründer und ihr Unternehmen durch ihre maßgeschneiderten Hemden und Anzüge ein perfekt abgestimmtes Outfit anbieten", hieß es in der Laudatio. "Wir haben uns riesig richtig gefreut", so Schmidt.