50 Jahre Élysée-Vertrag von Deutschland und Frankreich

Unter uns leben noch viele Menschen, die mit dem düsteren Begriff "Erbfeindschaft" aufgewachsen sind. Er bezeichnete das animose Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen, das seit der Ära des Sonnenkönigs Ludwig des XIV. bis zum Zweiten Weltkrieg von einer Kette blutiger Kriege gekennzeichnet war. Ernst Moritz Arndt, bedeutender deutscher Lyriker und Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, schrieb 1813: "Das ist des Deutschen Vaterland, wo Zorn vertilgt den welschen Tand, wo jeder Franzmann heißet Feind ..." Ursprünglich bezeichnete das Wort "Erbfeind" gar den Teufel.

Zwei der größten Kulturnationen Europas zerfleischten sich jahrhundertelang in stumpfdummem Hass. Der Blick manches Zeitungslesers mag dieser Tage dennoch gelangweilt über jene Artikel hinweggleiten, die an den Abschluss des Élysée-Vertrags am 22. Januar 1963 erinnern. Dabei sind diese 50 Jahre seitdem nicht weniger als ein historisches Wunder. Aus "Erbfeinden" wurden Freunde und Verbündete, wurde das Herz Europas. Gewiss, nicht immer läuft alles rund am deutsch-französischen Motor. Das wäre auch zu viel verlangt, denn immerhin handelt es sich noch um zwei Nationen mit spezifischen Interessen und einem gewissen Maß an gesunder Rivalität. Den Deutschen ist die oft unterkühlte Rationalität der Franzosen ebenso unheimlich wie diesen das manchmal dunkle deutsche Gemüt.

Und doch geht nichts in Europa ohne das Zusammenspiel von Deutschland und Frankreich. Es ist dabei relativ bedeutungslos, ob im Élysée-Palast oder im Kanzleramt gerade ein Linker oder Konservativer sitzen. Die besten Beziehungen haben ohnehin politisch überkreuz funktioniert - wie bei Schmidt und Giscard d'Estaing oder Kohl und Mitterrand.

Die Ehe des deutschen Michel mit der schönen Marianne beruht ohnehin weniger auf lodernder Leidenschaft als auf Vernunft. Für viele Bürger und Politiker ist es aber notwendig, sich einmal das enorme Ausmaß dieses Friedenswunders vor Augen zu führen. Um jenen Schwung und Mut wiederzufinden, der nur 18 Jahre nach dem Weltkrieg den Abschluss des Élysée-Vertrags möglich gemacht hat.