Abstieg im Länderfinanzausgleich ist für Hamburg kein Drama, aber ein Denkanstoß

Für die stolze und reiche Kaufmannsstadt Hamburg ist das natürlich eine Nachricht, die erst mal verdaut werden muss: Nehmerland im Länderfinanzausgleich! Statt aufgrund der überbordenden eigenen Potenz andere Bundesländer mit durchzuschleppen, wie man es seit Jahrzehnten gewohnt war und gerne nebenbei erwähnt hat, wird man nun selbst alimentiert. Peinlich? Nein, kein bisschen.

Denn bei genauem Hinsehen sind die Verschiebungen derart marginal, dass sie keiner Erwähnung wert wären - wenn dadurch nicht diese ominöse Schwelle vom Geber- zum Nehmerland unterschritten worden wäre, an der Hamburg schon seit Jahren entlangschrammt. Hinzu kommt, dass die Stadt 2012 erneut einen Rekord bei den Steuereinnahmen aufgestellt hat. Mit anderen Worten: Es geht Hamburg kein Stück schlechter als in den Vorjahren, sondern den zwölf Ländern, die nach wie vor hinter der Hansestadt liegen, etwas besser.

Daraus in die eine oder andere Richtung parteipolitisches Kapital schlagen zu wollen, wäre unlauter. Sollte man den SPD-Senat für die Rekordeinnahmen loben? Oder doch für den Abstieg ins Nehmerland kritisieren, wie es CDU und FDP versuchen? Das würde die Frage aufwerfen, ob die CDU denn dafür gelobt werden möchte, dass sie 2007 einen ausgeglichenen Haushalt erreicht hat oder ob sie lieber mit der Rekordverschuldung 2009/2010 identifiziert werden möchte, für die sie kaum etwas konnte? Richtig ist: Die Hamburger Senate können die großen Entwicklungen kaum beeinflussen, ob die Einnahmen steigen oder fallen, ist im Wesentlichen von konjunkturellen Entwicklungen abhängig, deren Ursachen auf Bundesebene, in den USA, China oder sonst wo liegen.

Ebenso durchsichtig ist die wiederholte Attacke von Horst Seehofer auf den Länderfinanzausgleich. Zu fragen, warum die fleißigen bayerischen Steuerzahler das Milliardendesaster um den Berliner Flughafen bezahlen sollen, ist verlockend, zumal im Wahlkampf. Aber unterm Strich stellt der CSU-Chef damit einen Grundpfeiler dieser Republik infrage: das Solidarprinzip, wonach die Stärkeren den Schwächeren helfen. Ein Prinzip im Übrigen, von dem das strukturschwache Nachkriegs-Bayern mächtig profitiert hat.

Über die Konstruktion des für Otto Normalverbraucher völlig unverständlichen Länderfinanzausgleichs kann man sicher diskutieren. Aber im Grundsatz erfüllt er seine Aufgabe, die Lebensverhältnisse in Deutschland zu vereinheitlichen, nach wie vor. Ostdeutsche Länder, die vor wenigen Jahren noch unter mehr als 20 Prozent Arbeitslosigkeit ächzten, holen auf - und wer weiß: Vielleicht wird das aufstrebende Sachsen in einigen Jahrzehnten Bayern und Hamburg durchfüttern müssen.

Grundsätzlich gilt: Es schadet nicht, auch dem stolzen Hamburg nicht, zu hinterfragen, was die Geberländer möglicherweise besser machen. So fällt auf, dass Bayern, Baden-Württemberg und Hessen die niedrigsten Arbeitslosenquoten und gleichzeitig sehr hohe Anteile an Hightech-Arbeitsplätzen haben. Wo im Ländle in jeder Kleinstadt ein Weltkonzern sitzt, dessen Mitarbeiter entsprechend verdienen, finden sich im Dunstkreis der Metropolregion Hamburg, also in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, vor allem Viehställe mit wenigen, eher schlecht bezahlten Mitarbeitern. Wenn der Norden auf Augenhöhe mit dem Süden kommen will, muss er also vor allem eines schaffen: hochwertige Jobs.