Öffentliche Anhörung vor Bundesverwaltungsgericht frühestens im vierten Quartal. 2600 Seiten Planfeststellung liegen bei Gericht.

Hamburg. Eine Entscheidung über die geplante Erweiterung des Elbfahrwassers wird voraussichtlich nicht mehr in diesem Jahr fallen. "Nach gegenwärtiger Planung wird das Gericht einen Termin für die öffentliche Anhörung vermutlich im vierten Quartal dieses Jahres anberaumen", sagte ein Sprecher des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig dem Abendblatt. "Es ist ein sehr komplexes Verfahren und bedarf für das Gericht einer intensiven Vorbereitung."

Der zuständige 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ist nach Auskunft des Gerichtssprechers mit planungsrechtlichen Verfahren "stark belastet". Parallel zum Projekt Elbe verhandelt der Senat auch die Klagen gegen den Ausbau von Unterweser und Außenweser. Die Verkündung des Urteils, aber auch eine mögliche Fortführung des Verfahrens in weiteren Instanzen kann die Freigabe der Elbvertiefung und -verbreiterung bis 2015 verzögern - sofern die Planfeststellung der gerichtlichen Prüfung überhaupt standhält.

Insgesamt liegen allein fast 2600 Seiten der Planfeststellung bei Gericht, zudem die Stellungnahmen der streitenden Parteien. In welcher Frist das höchste deutsche Verwaltungsgericht nach einer öffentlichen Anhörung ein Urteil fällt, ist offen. Denkbar wäre auch, dass das Bundesverwaltungsgericht den Fall an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg verweist, weil der Ausbau der Elbe auch europäisches Naturschutzrecht berührt. "Im günstigsten Fall liegt Mitte 2014 ein Urteil vor", sagte der Hamburger Verwaltungsrechtsexperte Professor Ulrich Karpen dem Abendblatt. "Wenn es im vierten Quartal eine Anhörung gibt, wird das Gericht die Erkenntnisse daraus in diesem Jahr wohl kaum mehr auswerten können. Die Ausfertigung des Urteils wiederum benötigt ebenfalls einige Monate Zeit."

Gegen das Planfeststellungsverfahren für die Vertiefung und Verbreiterung des Elbfahrwassers waren im vergangenen Sommer insgesamt 13 Klagen eingereicht worden. Federführend bei dem Verfahren sind die Umweltverbände BUND und Nabu. Geklagt haben aber auch die Städte Cuxhaven und Otterndorf, verschiedene Verbände an der Unterelbe sowie Fischer, Gewerbetreibende, Privatpersonen und andere Betroffene. Die Planfeststellung hatte die Stadt Hamburg gemeinsam mit der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord des Bundes in Kiel erarbeitet.

Hamburg will die Vertiefung und Verbreiterung des Elbfahrwassers, um den Andrang von immer mehr immer größeren Schiffen bewältigen zu können. Nach der Ausbaggerung bestimmter Stellen zwischen der Hansestadt und der Elbmündung bei Cuxhaven soll der Fluss unabhängig von der Tide durchgehend von Schiffen mit bis zu 13,50 Meter Tiefgang befahren werden können, heutzutage sind es 12,50 Meter. Bei Flut sollen Schiffe Hamburg künftig mit bis zu 14,50 Meter Tiefgang verlassen können. Zwischen Hamburg und Glückstadt sollen zudem durch eine Verbreiterung der Fahrrinne sogenannte Begegnungszonen entstehen, damit breitere Schiffe einander passieren können. Die maximal zulässige Breite für die Begegnung zweier Schiffe beträgt heutzutage 90 Meter. Die Zahl der Großschiffe mit 50 und mehr Meter Breite und mit mehr als 360 Meter Länge, die Hamburgs Hafen anlaufen, nimmt jedoch ständig zu.

Bis zum dritten Quartal 2012 waren 256 Großcontainerschiffe mit mehr als 10.000 Containereinheiten (TEU) nach Hamburg gekommen. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2011 waren es 211 derartige Schiffe. Auch für große Massengutfrachter soll eine Erweiterung des Elbfahrwassers logistische Erleichterungen bringen. Die Hamburger Hafenwirtschaft und der Senat fürchten, dass die Hansestadt ohne die Baumaßnahmen im Wettbewerb mit Nordseehäfen wie Rotterdam oder Antwerpen nicht bestehen kann.

Die Kläger gegen die Elbvertiefung erwarten bei einer Umsetzung des Projekts hingegen irreversible Schäden an der Ökologie des Flusses und der regionalen Tierwelt, eine stark zunehmende Last von Schlick und Sedimenten aus der Nordsee, Risiken für die Deichsicherheit und anderes mehr. Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 17. Oktober einem Eilantrag stattgegeben und den Vollzug der Baumaßnahmen gestoppt. Nun warten die beteiligten Parteien auf die Festsetzung des Anhörungstermins. "Nach dem Baustopp vom Oktober 2012 senden beide Seiten weitere Schriftsätze an das Gericht", heißt es in einer Stellungnahme des Nabu Hamburg und des BUND an das Abendblatt. "Das Gericht könnte irgendwann eine abschließende Frist setzen. Einen Termin für die öffentliche Anhörung kennen wir noch nicht."

Unklar ist vor allem auch, ob die Bundesverwaltungsrichter in Leipzig in einem Durchgang ein abschließendes Urteil fällen, oder ob sie den Fall an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg sowie später an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verweisen. "Die Leipziger Richter müssten den Fall zunächst nach Luxemburg verweisen, wenn sie europäisches Recht in einem bestimmten Maß tangiert sehen", sagte Professor Karpen. "Anschließend könnte das Verfahren auch noch an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verwiesen werden. Im zeitlich denkbar schlechtesten Fall würde das alles bis etwa Mitte 2015 dauern."

Die Hamburger Politik hatte in den vergangenen Jahren immer wieder eine zügige Umsetzung der Elbvertiefung nach Vorlage der Planfeststellung in Aussicht gestellt. "Das war, vor dem Hintergrund zweier relativ reibungsloser Elbvertiefungen zuvor, wohl zu optimistisch", sagte Professor Karpen.