Airbus - Hamburgs größter privater Arbeitgeber. Mehr als 25.000 Menschen gehen hier beruflich ein und aus. Ein Blick hinter die Kulissen.

Das Multi-Milliarden-Geschäft

Gemessen an Zahlen wie diesen kann sich das Hamburger Airbus-Werk mit so mancher deutschen Kleinstadt vergleichen: 12.300 fest angestellte Beschäftigte machen den Flugzeugbauer zum größten privaten Arbeitgeber Hamburgs, mit einer Gesamtfläche von 340 Hektar ist der Standort auf Finkenwerder größer als Stadtteile wie Eppendorf oder Rotherbaum.

Zwar ist das Flugzeugwerk an der Elbe einst als Tochterbetrieb einer Werft entstanden, aber schon lange stellt es den Schiffbau in Hamburg weit in den Schatten. So sind im vergangenen Jahr mehr als 200 Kurz- und Mittelstreckenjets auf Finkenwerder endmontiert und an die Kunden ausgeliefert worden.

Gemessen an den Listenpreisen repräsentieren sie ein enormes Umsatzvolumen von rund 14 Milliarden Euro. Anders ausgedrückt: In jedem einzelnen Monat werden in Hamburg Flugzeuge im Wert von zwei sehr großen Kreuzfahrtschiffen oder acht der weltgrößten Containerfrachter hergestellt. Die Zulieferungen an andere Airbus-Werke sowie die Auslieferungen von A380-Megajets in Hamburg sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt.

Ein Bürgermeister, der keiner sein will

Georg Mecke ist zwar der Leiter des Airbus-Standorts Finkenwerder, aber als "Bürgermeister" versteht er sich nicht. Mecke sieht sich eher als eine Art Moderator: "Meine Aufgabe ist es, die manchmal widerstrebenden Interessen der einzelnen Unternehmensbereiche im Werk unter einen Hut zu bringen. Denn Einzeloptimierung muss nicht ein Gesamtoptimum erzeugen."

Mindestens ebenso wichtig ist eine andere Funktion, die Mecke erfüllt: Er ist so etwas wie ein Außenminister. Mecke hält den Kontakt zu den Behörden, wenn es zum Beispiel darum geht, Genehmigungen einzuholen. Außerdem ist er der Ansprechpartner für die Anlieger des Werks. "Ohne die Nachbarschaft läuft hier nichts", sagt er. In Vorträgen wirbt er für die Belange des Standorts, in Anhörungen versucht er, Verständnis für die Notwendigkeiten des Werksbetriebs zu wecken. "Dass es unter anderem im Zusammenhang mit den Einflugschneisen Belastungen für die Bürger gibt, ist uns bewusst", sagt Mecke. Ein besonderes Anliegen ist ihm der Erfahrungsaustausch mit anderen Hamburger Unternehmen und Forschungsinstituten. So könnten etwa die Teilchenphysik-Forscher von Desy Erkenntnisse und Technologien beisteuern, die für die Oberflächenbehandlung von Flugzeugteilen einsetzbar seien, sagt Mecke.

Nach einem Maschinenbau-Studium begann er seine Karriere im Airbus-Werk Nordenham. Zeitweise arbeitete er in Toulouse und zuletzt im A380-Programm in Hamburg, bevor er vor drei Jahren die Position des Standortleiters übernahm. Auch um den Umweltschutz kümmert sich sein Team: "Wir installieren mit großem Aufwand ein zweites Wassernetz, um aufbereitetes Elbwasser nutzen und damit unseren Trinkwasserverbrauch deutlich verringern zu können."

Die "Polizei" zückt die Radarpistole

Will man auf das Hamburger Airbus-Gelände, führt an dem Team von Ingo Holzhausen kein Weg vorbei: Er verwaltet 25.600 Ausweise, die den Zugang zum Werk ermöglichen. "Neben den fest angestellten Beschäftigten gibt es hier am Standort Leihkräfte und Mitarbeiter von Fremdfirmen, Kunden und Werkstudenten sowie Praktikanten, und für diese unterschiedlichen Gruppen geben wir Ausweise in verschiedenen Farben aus", sagt Holzhausen.

Zudem kommen jeden Tag im Schnitt 1000 Besucher durch eines der sechs Tore, von denen eines rund um die Uhr besetzt ist. Die blauen Karten der Stammbelegschaft gewähren zwar den einfachen Zugang zu allen Werken in Europa, "aber nicht jeder kann in alle Gebäude hinein". So sind für Versuchslabore oder Hallen mit Kabinenmodellen besondere Berechtigungen nötig, die auf dem Ausweis codiert sind. Zusätzlich kann man mit den Werksausweisen in der Kantine bezahlen und die Arbeitszeit registrieren lassen. Darüber hinaus vergibt Holzhausen auch Film- und Fotoberechtigungen, spezielle Führerscheine für das Vorfeld sowie die begehrten Parkausweise, mit denen man das eigene Auto auf dem Gelände abstellen kann.

Zusammen mit den Beschäftigten der von Airbus beauftragten Sicherheitsfirma kümmert er sich aber auch darum, dass die Autofahrer die Regeln wie etwa das generelle Tempolimit von 30 km/h einhalten: "Wir sind die Polizei hier auf dem Gelände und kontrollieren mit einer Radarpistole." Im Fall von Geschwindigkeitsüberschreitungen und regelwidrigem Parken werden zwar Bußgelder fällig. "Aber manchmal hilft nur der Entzug der Parkerlaubnis", weiß Holzhausen.

Vor dem Staatsbesuch kommen Hunde

Was die meisten "echten" Kleinstädte nie erleben, ist für das Airbus-Werk keine Seltenheit: Besuche von Staatspräsidenten und Regierungschefs. Um die Vorbereitung solcher Ereignisse kümmern sich sechs Beschäftigte in der Protokollabteilung unter der Leitung von Kerstin Bornemann. Schon die Sicherheitsmaßnahmen können dabei zur Herausforderung werden, obwohl das Werk an sich schon ein kontrollierter Bereich ist: "Beamte des Landeskriminalamts inspizieren die Hallen, Hunde schnüffeln alles ab", sagt Bornemann.

Manchmal müssen dann auch unvorhergesehene Situationen gemeistert werden: "Auf den Staatsgast wartet eine Motorradeskorte, aber er hat sich entschieden, dann doch mit der Senatsbarkasse zu kommen." Häufiger als solche Besuche sind allerdings die sogenannten Auslieferungszeremonien, die ein- bis zweimal im Monat anstehen: Wenn eine Fluggesellschaft den ersten Jet eines bisher nicht von ihr bestellten Typs oder eine Jubiläumsmaschine - wie den 7000. Airbus - übernimmt, wird das gefeiert. Je nach Umfang des Festakts dauern die Vorbereitungen zwischen zwei Wochen und sechs Monaten.

Dazu gehört auch ein Besuchsprogramm für die Manager der Airline: "Wir versuchen dabei, die schöne Stadt in den Fokus zu rücken", sagt Bornemann. Dabei kommt es schon einmal vor, dass die hochrangigen Gäste kurzfristig exklusive Wünsche anmelden: "Manchmal bekommen wir deutlich gezeigt, wer der Kunde ist."

Tankwagen für den eigenen Flughafen

Flugplätze mit mehr als 5000 Flugbewegungen pro Jahr - ungefähr so viele waren es im Jahr 2012 auf Finkenwerder - sind in Deutschland zahlreich, aber etliche A380-Jets gleichzeitig sieht man außer in Frankfurt nur auf dem Airbus-Werksflughafen. 86 Personen unter der Leitung von Hartwig Gennen sind für den sogenannten Ground Support, also den Bodendienst des Flugbetriebs, zuständig. "Dazu gehören das Betanken und das Enteisen, außerdem schleppen wir die Flugzeuge in die Hallen oder ziehen sie wieder heraus", erklärt Gennen. Sieben Schleppfahrzeuge gehören zur Bodenausrüstung. Um sie fahren zu dürfen, genügt ein Lkw-Führerschein nicht; zwei bis drei Jahre dauert es, bis man in Gennens Team mitarbeiten kann.

Der Fuhrpark umfasst außerdem sechs Tanklaster für je 48.000 Liter Flugzeugkraftstoff, der aus einem Lager mit einer Kapazität von knapp zwei Millionen Litern stammt. Das erscheint viel, es reicht aber gerade einmal für sechs Tankfüllungen eines A380.

Die beiden "Friction Tester", die vor dem Büro von Gennen parken, sehen nur auf den ersten Blick wie normale Saab-Kombis aus: Mit einem hydraulisch aus dem Kofferraum abgesenkten Messrad wird bei einem Tempo von knapp 100 km/h ermittelt, wie glatt die Oberfläche der Start- und Landebahn ist, damit die Piloten vor einem möglicherweise verlängerten Bremsweg gewarnt werden können.

64 schnelle Feuerwehrleute

Aus der Übung kommen die 64 Mitarbeiter der Airbus-Betriebsfeuerwehr nicht: Zu 3500 Einsätzen werden sie pro Jahr gerufen. "Gemessen daran ist der Name 'Feuerwehr' eigentlich völlig falsch", sagt Andreas Groth, Leiter der Einheit. Denn von den 3500 Einsätzen entfallen rund 2200 auf sogenannte "technische Hilfeleistungen", etwa wenn irgendwo in den Werkshallen Öl ausgelaufen ist. Hinzu kommen 650 Fahrten mit dem Rettungswagen.

"Im Schnitt müssen wir nur 60 Brände im Jahr löschen", so Groth - und dies sind fast ausschließlich kleine Feuer. Groth führt das auf eine sehr wirkungsvolle Brandfrüherkennung zurück, aber auch auf die Tatsache, dass seine Truppe in der Regel nur drei Minuten bis zum entferntesten Punkt des Geländes braucht.

Drei Löschfahrzeuge werden allein für den Flugbetrieb benötigt. Der Umgang mit ihnen will gelernt sein, denn im Ernstfall muss alles sehr schnell gehen: Schon beim Heranfahren, aus einem Tempo von 70 km/h , muss man mit der Löschkanone sicher treffen. "Die Pumpe schafft 6000 Liter pro Minute, in weniger als zwei Minuten ist der Löschmitteltank des Fahrzeugs leer", sagt Groth.

Stolz ist er auch auf einen Lkw mit Hamburgs höchstem Teleskopmast, der 54 Meter Höhe erreicht: "Drei von vier Achsen sind lenkbar, der Wagen kann fast auf dem Punkt drehen." Zur Ausbildung müssen Groths Männer unter anderem nach England, "denn da darf man noch Feuer mit echtem Kerosin machen - das ist in Deutschland nicht mehr erlaubt".

Mindestens zwölf Feuerwehrleute sind auch nachts im Dienst. Betten gibt es für sie nicht, denn sie kümmern sich dann unter anderem um die Instandhaltung von Atemmasken der Flugzeuglackierer: "Wir haben hier Europas größte Atemschutzwerkstatt."

Ein sportlicher Betriebsarzt

Um schnell am Unfallort zu sein, hat Kay Peter Föh, Leiter des Betriebsärztlichen Dienstes, einen Smart mit Blaulicht. Doch wirklich schwere Arbeitsunfälle, nach denen der betroffene Mitarbeiter ins Krankenhaus muss, sind glücklicherweise selten; im Schnitt kommt so etwas ungefähr einmal im Monat vor.

Föh sieht seine Hauptaufgabe daher in der Gesundheitsvorsorge: "Wir haben eine Riesenchance: Wir sehen die Mitarbeiter, bevor sie krank werden." Seine Vision: "Die Beschäftigten sollen das Unternehmen gesünder verlassen, als sie gekommen sind." Föh ist nicht nur Arbeitsmediziner, sondern auch Internist. Zusätzliche Spezialisierungen haben auch die vier Ärztinnen, die zu seinem insgesamt elf Personen umfassenden Team gehören. Eine der Hauptaufgaben sind die regelmäßigen Untersuchungen für Beschäftigte mit bestimmten physisch anspruchsvollen Tätigkeiten wie etwa Arbeiten in den engen Flugzeugtanks oder die Jet-Lackierung unter Atemschutz: "Mit rund 500 Mitarbeitern ist dies der weltweit größte Lackierstandort."

Wie viele seiner Ärztekollegen registriert auch Föh, dass die psychomentale Belastung der Menschen stetig zunimmt. Nach seiner Auffassung ist es aber nicht in erster Linie die Arbeit, die krank macht: "Sehr viele Belastungsfaktoren kommen von außen." Dennoch gehört eine Sprechstunde "Seelische Gesundheit" zum Angebot des Betriebsärztlichen Dienstes, ebenso wie die Physiotherapie, denn schließlich wird sich das Durchschnittsalter der Mitarbeiter angesichts der Demografie erhöhen. Föh hat sich auch dafür eingesetzt, dass auf dem Standortgelände eine 2,4 Kilometer lange Laufstrecke eingerichtet wird - und er nutzt sie auch selbst.

Lange Warteliste für die Kita im Grünen

Flügel haben sie alle: Bienen, Hummeln, Libellen und Schmetterlinge heißen die Betreuungsgruppen in der Airbus-Kita. Sie liegt nur wenige Hundert Meter vom Haupttor des Werks entfernt, aber dennoch in einer idyllischen, grünen Umgebung hinter einem Kleingartengebiet. Nach einer kürzlich abgeschlossenen Erweiterung werden hier aktuell 62 Kinder betreut, die Kapazität liegt bei 70.

"Wir haben aber kein Problem, die Plätze zu füllen", sagt die Kindergartenleiterin Martina Hirth. Die Warteliste umfasse mehr als 100 Namen. Die Einrichtung ist eine Kooperation zwischen Airbus und dem städtischen Unternehmen Elbkinder. Der Flugzeughersteller hat das Gebäude errichten lassen, die sechs Erzieherinnen sind bei dem größten Kita-Träger Hamburgs angestellt.

Dabei muss die internationale Belegschaft von Airbus berücksichtigt werden: Einmal in der Woche kommt eine Englischlehrerin, außerdem gibt es eine französischsprachige Erzieherin. Ebenfalls auf Wunsch von Airbus hat die Kita eine naturwissenschaftliche Ausrichtung; so werden die Kinder in einer "mathematischen Lehrwerkstatt" spielerisch an die Welt der Zahlen herangeführt. "Aber wir achten auf Ausgewogenheit, zum Programm gehören natürlich auch Musik, Kunst und Yoga", sagt Martina Hirth.

"Kleinstadt" mit eigener Fluglinie

Angesichts der großen Distanzen auf dem Werksgelände gibt es drei interne Buslinien, auf denen insgesamt sieben Busse verkehren. Täglich werden auf diesen Linien rund 9000 Fahrgäste gezählt. Hinzu kommen noch zwei Besucher-Shuttlebusse. Darüber hinaus fahren zwei Busse täglich zwischen dem Standort Hamburg und dem Airbus-Werk in Bremen. Der Flugzeugbauer unterhält aber auch eine eigene Luftverbindung: An jedem Arbeitstag kann man am Morgen und am Abend von Finkenwerder aus zur Konzernzentrale in Toulouse fliegen. Im Auftrag von Airbus bietet die Fluggesellschaft Germania diesen Dienst an. Doch auch auf dem Wasserweg ist das Hamburger Werk erreichbar. Die HVV-Fähre zwischen Teufelsbrück und dem Airbus-Anleger nutzen täglich 4500 Passagiere.

12.000 Mittagessen pro Tag

Sie hantieren mit meterlangen Schöpfkellen, rühren in Suppenkesseln für mehrere Hundert Liter: Etwa 200 Beschäftigte sorgen dafür, dass die Flugzeugbauer während der Arbeitszeit nicht hungern müssen. Mehr als 12.000 Mittagessen werden in acht Restaurants und Shops auf dem Betriebsgelände ausgegeben, allein in der größten Kantine sind es 3500.

"Wir bieten vier oder fünf verschiedene Hauptgerichte an, daneben gibt es unter anderem Antipasti und ein Salatbüfett", sagt Catering-Manager Torsten Böntgen. "Die Currywurst ist aber auch bei uns der Renner, auch wenn die Betriebsmediziner das nicht so gerne sehen." Dabei gibt es je nach Standort der Kantine - umgeben von Bürogebäuden oder zwischen Produktionshallen - spürbare Unterschiede in den Präferenzen der Kunden.

Das zeigt sich zum Beispiel im Bistro in der Halle 9, in der viele Leistungslohn-Beschäftigte arbeiten: "Da muss es nahrhaft sein und schnell gehen, ein Schnitzel wird da gerne genommen", sagt Thomas Zanger, Leiter des Betriebsrestaurants. Er ist seit 14 Jahren bei Airbus, zuvor hat er im Hotel Bellevue an der Außenalster und im Maritim Seehotel Timmendorfer Strand gearbeitet. Das Vorurteil vom ungesunden Kantinenessen will Zanger nicht gelten lassen: "Wer sich gesund ernähren möchte, kann das bei uns tun."

Auch für das Seelenheil wird gesorgt

Airbus ist ein außerordentlich international aufgestelltes Unternehmen, und so arbeiten auch am Standort Hamburg Beschäftigte aus Dutzenden von Nationen. Da gilt es, kulturelle und religiöse Besonderheiten zu beachten. Doch es wird auch an die Kunden gedacht - nicht zuletzt an die bedeutenden Abnehmer aus der arabischen Welt. So gibt es drei Gebetsräume in den Auslieferungszentren, in denen unter anderem die Richtung nach Mekka markiert ist. Auf Wunsch von Fluggesellschaften aus christlichen Ländern segnet ein katholischer Geistlicher die neuen Jets.