Einbruch, Raub und zunehmender Betrug im Internet: LKA-Chef Thomas Menzel will die Spezialisten bündeln

Hamburg. Seit einem halben Jahr leitet Thomas Menzel das Hamburger Landeskriminalamt, eine Ermittlungsbehörde mit derzeit 1600 Mitarbeitern. Neben den "alltäglichen" Aufgaben wie der Jagd auf Wirtschaftsbetrüger, Totschläger, Mörder und Internetgangster hat er einen zusätzlichen Mammut-Job zu bewältigen: Den Komplettumbau der Hamburger Kripo. Das Abendblatt traf ihn zu einem ersten Halbjahresbilanz-Interview.

Hamburger Abendblatt: Herr Menzel, seit einem halben Jahr sind sie Chef des Hamburger LKA. Haben Sie schon operativ Dinge ändern können, oder waren Sie bislang hauptsächlich mit der Umorganisation beschäftigt?Thomas Menzel: Seit Jahresanfang führen wir ganz entscheidende Diskussionen über die Zukunft der Hamburger Polizei. Im September stand der Rahmen für uns fest. Das, was wir in den vergangenen Jahrzehnten als Grundstruktur hatten, werden wir durch ein neues Modell ersetzen. Da sind wir mitten in einem Prozess. Das hat riesige Veränderungen zur Folge. Und eine höhere Leistungsfähigkeit.

Wie soll denn die Kripo der Zukunft aussehen?
Menzel: Ganz wichtig wird sein, dass wir die Kripo vor Ort, also in den Kommissariaten, neu strukturieren. Künftig wird es acht große statt bisher 24 teilweise kleinere Kommissariate geben. Trotzdem wird an allen 24 Polizeikommissariaten der Stadt weiter Kriminalpolizei vertreten sein. Das bedeutet einen Philosophiewechsel. Derzeit gibt es an einigen Kommissariaten nur wenige Kripo-Beamte, künftig haben wir nicht mehr so viele, aber durchweg größere Dienststellen. Die Zusammenarbeit zwischen uniformierten Kollegen und uns Kripo-Ermittlern wird sich aber auf der Arbeitsebene nicht grundlegend verändern. Sie begegnen sich im Alltag ohnehin ständig. Der Vorteil der neuen Struktur ist, dass wir schlagkräftigere Kripo-Dienststellen haben werden. Das ermöglicht uns eine stärkere fachliche Ausrichtung bei den Ermittlern. Die Fälle betreffen ja sehr verschiedene Bereiche, zum Beispiel von Einbruch bis Raub, Beziehungsgewalt und andere Gewaltdelikte, vom Schwarzfahren bis zum Betrug im Internet. Doch die Arbeit ist in den Bereichen ganz unterschiedlich. In den kleinen Dienststellen haben wir jetzt zum Teil nur neun Kripo-Sachbearbeiter. Da muss natürlich zurzeit jeder fast alles machen. Wenn dann eine Serie zu bearbeiten ist, sind solche Dienststellen schnell überfordert. Die großen Kommissariate mit bis zu 80 Mitarbeitern werden ganz anders aufgestellt sein - und trotzdem den Bezug zu ihrer Region behalten.

Auf welche Formen der Kriminalität müssen Sie in der nahen Zukunft ein besonderes Augenmerk haben?
Menzel: Durch die Digitalisierung, den technischen Fortschritt hat sich auch das Bild der Kriminalität geändert. "Cybercrime" ist eine wachsende Gefahr. Der Betrug über das Internet wird noch weiter zunehmen. Im Bereich der Computerkriminalität gibt es mittlerweile sehr spezialisierte Deliktsfelder, Täter und Tätergruppen, die auch aus dem Ausland agieren. Da müssen wir uns weiterentwickeln. Das wollen und werden wir auch tun. Das ist ein zweiter Schwerpunkt der kommenden Monate und Jahre. Kriminalität mit dem Tatmittel Internet ist nicht zu bekämpfen wie die klassische Kriminalität, die wir aus den 70er-Jahren kennen.

Das heißt, Sie werden Experten für diesen Bereich einstellen, das Personal hier aufstocken?
Menzel: Man muss ehrlich sein. Das mit dem Aufstocken ist derzeit schwierig. Wir sind natürlich froh darüber, dass im Polizeivollzug kein Personal abgebaut wird. Aber wenn ich an einer Stelle aufstocke, muss ich es trotzdem an anderer Stelle wegnehmen. Ich sehe da aber durchaus Möglichkeiten, so brauchen wir z.B. an wenigen größeren Dienststellen auch nicht so viel Führungskräfte wie an vielen kleinen. Auch deshalb strukturieren wir das LKA personell wie organisatorisch um. Wie genau das am Ende aussieht, ist noch ungewiss.

Es entsteht ein riesiger Ermittlungsapparat.
Menzel: Das LKA wird durch die Aufnahme der örtlichen Kripo-Dienststellen sicher noch bedeutend vielfältiger. Schon heute haben wir etwa 45 fachlich unterschiedliche Dienststellen. Die Vielfalt ist groß. Eine Mordkommission arbeitet völlig anders als ein Rauschgiftdezernat, Kriminaltechniker ganz anders als das MEK, der Staatsschutz oder das Raubdezernat. Das macht Kripo aus. Und: Wir wollen verstärkt auf Prävention setzen, zukünftig vermehrt schon bei stadtplanerischen Projekten auf Kriminalprävention achten.

Die Staatsanwaltschaft hat in einigen Bereichen ihre Arbeitsweise geändert. Dezernenten kommen zum Beispiel bei Tötungsdelikten jetzt auch selbst an den Tatort, sind früher im Boot. Fühlen Sie sich bevormundet?
Menzel: Unsere Aufklärungsquote gerade bei den Tötungsdelikten ist sehr hoch. Ich halte es dennoch für hilfreich, wenn ein Staatsanwalt den Tatort eines Tötungsdeliktes, Verletzungen und andere Auswirkungen einer Tat selbst sieht und nicht nur aus der Akte kennt. Vielleicht kann er so im Prozess seine Position in einzelnen Fällen besser vertreten. Verletzungen eines Opfers sieht man ja vor Gericht meist nicht mehr. Direkt nach der Tat oder am Tag danach vermittelt ein Opfer einfach einen ganz anderen Eindruck.

Der Staatsschutz gehört auch zu Ihrem Aufgabengebiet. Wo sehen Sie die Schwerpunkte?
Menzel: Der Bereich des Islamistischen Terrorismus bleibt im Fokus. Was uns schmerzlich durch die Morde der "Ceska-Serie" bewusst geworden ist: Die Gefahr des Rechtsextremismus bleibt hoch. Wir hatten keine Anhaltspunkte, dass die Taten diesem Milieu zuzuordnen sind. Das war schon schmerzhaft.

Sie haben zwölf Jahre den Bereich Rauschgift und Organisierte Kriminalität (OK) geleitet. Bleibt dies Ihr Haupt-Interessengebiet?
Menzel: Es ist jetzt für mich eines von mehreren Feldern, die es zu beachten gilt. Wir sind in diesem Bereich sehr gut aufgestellt. Wir hatten bundesweit die erste OK-Dienststelle und haben seitdem nicht nachgelassen. Es gibt echte Erfolge. Die Probleme in diesem Bereich - aber nicht nur in diesem - liegen darin, dass schleichend immer mehr bürokratische Vorschriften zum Beispiel unter der Überschrift "Datenschutz" erlassen werden, die viel Personal kosten. Ich sähe es lieber, wenn die Ermittler ihre Dienstzeit mit kriminalistischer Arbeit füllen könnten, und nicht damit, zum Beispiel Benachrichtigungen über durchgeführte Maßnahmen vorzubereiten. Da hat der Gesetzgeber einige Dinge beschlossen, die uns die Arbeit erschweren. Ich nenne das die Bürokratisierung der Ermittlungen. Das ist eine schlechte Entwicklung. Die Welt ist komplizierter geworden, auch im polizeilichen Handwerk. Damit haben wir zu kämpfen.

Herrscht auf dem Kiez Ruhe? Was gibt es dort für Entwicklungen?
Menzel: Das Geschäft mit der Prostitution hat sich insgesamt stark verändert. Darauf haben sich auch die Beteiligten eingestellt. Zuhälter, Wirtschafter, Betreiber vermeiden alles, was die Aufmerksamkeit der Polizei auf sie ziehen könnte. Dennoch bleibt es für sie leider ein einträgliches Geschäft.

Hamburg ist bisher immer Sonderwege gegangen, wenn es um Rockerkriminalität ging. Die Taktik scheint erfolgreich gewesen zu sein.
Menzel: Hamburg hat, und das ist erfreulich, bisher nicht die Zuspitzung gehabt, wie wir sie aus vielen deutschen Städten kennen. Trotzdem: Rocker, auch kriminelle Rocker, sind in der Stadt präsent. Es gibt sie, aber sie sind wegen des Verbotes, ihre Abzeichen öffentlich zu tragen, nicht so sehr in der Öffentlichkeit wahrnehmbar. Wir haben aber nie nachgelassen, ihnen ständig auf den Füßen zu stehen. Das halte ich auch für sehr, sehr wichtig. Auch wenn sie nach außen nicht so sichtbar sind wie in anderen Städten, sind wir an ihnen dran. Wir wollen nicht, dass die hier in der Stadt wieder eine größere Bedeutung bekommen, als sie jetzt haben. Die verbotenen Vereine nicht, und auch nicht eventuelle Nachfolge-Organisationen.

Sieht sich der Chef des Hamburger Landeskriminalamtes sonntags den "Tatort" im Fernsehen an?
Menzel: Wenn die kriminalistische Arbeit einigermaßen realistisch dargestellt wird, dann sehe ich manchen "Tatort" durchaus gerne. Aber das ist gerade bei diesem Format sehr unterschiedlich. Wirklich gerne sehe ich manche skandinavische Krimis. Die sind oft sehr gut gemacht und dabei realitätsnah.