Hamburger Kammer lässt die prächtigen Glaskunstfenster im Großen Saal der Zentrale am Holstenwall rekonstruieren. Spender werden gesucht.

Hamburg. Sie waren der Stolz der Hamburger Handwerker, die Juwelen im Kammergebäude am Holstenwall. Insgesamt 15 Glaskunstfenster mit Motiven aus den unterschiedlichsten Berufen schmückten einst den Großen Saal des imposanten Backsteinbaus. Töpfer mit ihren Krügen, Schneider mit ihren Scheren oder Schornsteinfeger mit ihren Kehrbesen hatte der Künstler Carl Otto Czeschka für den repräsentativen Raum entworfen - verziert mit kupfergrünen Ornamenten nach Art des vorherrschenden Jugendstils zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Doch in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs wurden die kostbaren Kunstwerke zerstört, weshalb die Handwerker über Jahrzehnte mit simplem Fensterglas in ihrem zentralen Versammlungsraum vorliebnehmen mussten.

Nun aber kehren die Czeschka-Fenster zurück. Mithilfe einzelner Handwerker, Förderer und Innungen hat die Kammer die ersten drei Kunstwerke rekonstruieren lassen. Sie zeigen die Bäcker mit ihren charakteristischen Mützen, die Buchdrucker sowie Zimmerleute und Maurer von der Bauhütte. Rund 60.000 Euro hat das Ensemble gekostet, die komplette Fensterfront dürfte 300.000 Euro verschlingen.

"Es ist schon ein kleines Wunder, dass uns die Wiederherstellung der ersten alten Fenster gelungen ist", sagt der Präsident der Hamburger Handwerkskammer, Josef Katzer. Nicht nur die Gelder mussten beschafft und die Handwerker und Innungen von der Notwendigkeit der Rekonstruktion überzeugt werden.

Es ist auch nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass die Originalvorlagen für die Fenster überhaupt noch vorhanden waren. Studenten von Carl Otto Czeschka (1878-1960) retteten die Kartons aus den Ruinen des Ateliers des Künstlers, das während des Zweiten Weltkriegs ebenfalls zerstört wurde. Später lagerten die Vorlagen im Museum für Kunst und Gewerbe.

Die Rekonstruktion der Fenster übernahm die Hamburger Glaskünstlerin Corinna Hempel, 42. Zusammen mit ihrer Schwester Manuela ist sie eine der ganz wenigen Handwerkerinnen in Norddeutschland, die noch die Kunst der Glasmalerei beherrscht. "Bei uns in der Werkstatt geht es im Prinzip noch genauso zu wie vor einigen Hundert Jahren", sagt die Frau mit den dichten, schwarzen Haaren, die das Handwerk von ihrem Vater lernte.

Nach den ursprünglichen Entwürfen fertigte Hempel zunächst Pappschablonen für die einzelnen Teile der Fenster an und trennte sie dann aus großen Scheiben mundgeblasenen Glases heraus. "Das Glas haben wir extra aus einer Hütte im bayerischen Wald kommen lassen, weil wir davon ausgehen, dass auch die ursprünglichen Fenster aus diesem Material bestanden", erzählt sie. Mit seinen kleinen Unebenheiten sei mundgeblasenes Glas zudem viel charakterstärker und lebendiger als industriell hergestellte Ware.

Die kräftigen schwarzen Linien, mit denen die Figuren auf dem Glas gezeichnet sind, bestehen aus sogenannter Schwarzlotfarbe, einer seit Jahrhunderten unveränderten Mischung aus Öl und Metallasche. "Wir brennen diese Farbe bei einer Temperatur von 650 Grad in das Glas hinein", sagt Hempel. Erst danach trägt sie andersfarbige Elemente auf und fasst die Fensterteile schließlich mit Blei ein, verlötet und verkittet sie.

Mehr als 20 Jahre arbeitet Hempel nun schon mit dem Werkstoff Glas und hat sich unter Hamburgs Restauratoren und Denkmalschützern einen mehr als guten Ruf erarbeitet. An der Rekonstruktion der farbenprächtigen Glasfenster in der Laube des Hamburger Rathauses war sie beteiligt, arbeitete im Michel und in zahlreichen anderen Kirchen der Hansestadt.

An den Schmuckfenstern für die Handwerkskammer fasziniert Hempel vor allem die klare, fast minimalistische Linienführung, mit der der Grafiker Czeschka Goldschmiede, Maurer oder Zimmerleute darstellte.

Der Wiener Künstler, der eng mit Hamburgs legendärem Baudirektor Fritz Schumacher zusammenarbeitete, bewegte sich mit seinen Werken am Übergang von Jugendstil zum weniger üppigen Art Deco. Er gestaltete auch das mehr als sieben Meter hohe Fenster in der Eingangshalle der heutigen Hochschule für bildende Künste am Lerchenfeld und die schlichte, bis heute verwendete Kopfzeile der Wochenzeitung "Die Zeit".

Die komplette Rekonstruktion der Czeschka-Fenster in der Handwerkskammer soll bis zur 100-Jahr-Feier des Gebäudes im Jahr 2017 abgeschlossen sein. Nach dem Hamburger Biobäcker Thomas Effenberger, der allein zwei Fenster sponserte, hat sich mittlerweile auch die Schonsteinfeger-Innung entschlossen, ein weiteres Glaskunstwerk in Auftrag zu geben. Weitere Sponsoren werden allerdings noch von der Kammer dringend gesucht.