Russlands Opposition braucht einen Strategiewechsel

Russlands Opposition war schon mal weiter. Vor einem Jahr waren es viele Zehntausend Menschen allein in Moskau, die gegen Herrscher Wladimir Putin demonstrierten. Am Wochenende waren es noch 7000. Die Polizei sprach von 700. Der enge und gut vernetzte Zirkel der Opposition hat ein Problem: Er erreicht das Gros der Bürger nicht, ist zerstritten und hat kein umfassendes Programm.

Putins Kritikern fehlen vier Zutaten für einen Umsturz: unabhängiges Fernsehen, unabhängige Justiz, Geld und eine Führungsperson. Oder zumindest bräuchten sie wenigstens eine dieser vier Zutaten.

Putin kontrolliert das Staatsfernsehen - der einzige Kanal, auf dem die Opposition ihre Anliegen in das große Land tragen könnte. Wer einen Herrscher stürzen will, braucht Medien. Vor allem Medien abseits der wenigen Nischensender und Zeitungen, die meist sowieso nur von längst überzeugten Gegnern Putins wahrgenommen werden. Und man braucht Geld. Nur damit, und zwar viel davon, lässt sich in Russlands Oligarchensystem mithalten. Putins Kritiker leiden zudem daran, dass eine unabhängige Justiz fehlt. Nirgendwo können sie offiziell klagen gegen die Drangsalierungen der Regierung. Im Gegenteil: Wer aufmuckt wie die Punkband Pussy Riot, bekommt die harte Hand der Justiz zu spüren. Und es mehren sich die Zweifel, dass eines der Gesichter der Opposition derzeit stark genug ist, um sich mit Rückhalt in den eigenen Reihen und bei den Bürgern an die Spitze der Bewegung zu setzen.

Was Putin-Kritikern bleibt, ist ein Strategiewechsel: Denn eine Revolution, die von der Straße ausgeht, wird es nicht geben. Es bleibt nur der mühsame Weg: der Aufbau einer Zivilgesellschaft, die die Rolle der russischen Frau stärkt, die aufklärt und die Mittelschicht in ihrem Wunsch nach freien Wahlen stärkt. Das geht vor allem über Kunst, über Vereine oder nicht staatliche Organisationen. Ihre Gefahr für die Macht hat allerdings auch Putin erkannt - und ein Gesetz erlassen, das vom Ausland finanzierte Organisationen als Agenten diffamiert.