SPD-Politiker warnen: Die neue Regelung könnte IT-Investoren verschrecken. Hamburg sei davon stark betroffen. 9745 IT-Firmen in Hamburg.

Hamburg. Die IT-Branche wächst noch immer schneller als viele andere Bereiche der Hamburger Wirtschaft. Zwischen Anfang 2011 und Sommer 2012 ist die Zahl der IT-Unternehmen in der Hansestadt um 5,3 Prozent gestiegen - auf jetzt 9745 Firmen. Die Dynamik der Branche hat viel mit der großen Gründungsbereitschaft zu tun. Von den 468 IT-Unternehmen, die laut Handelskammer im ersten Halbjahr 2012 in Hamburg ins Leben gerufen wurden, dürften viele sogenannte Start-ups sein, kleine Firmen, die meist mithilfe privater Kapitalgeber und neuer Ideen auf diesen bewegten Zukunftsmarkt drängen. Nun aber droht der Branche Ungemach - aus Berlin und Luxemburg.

Grund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der Deutschland zu einer Veränderung des Steuerrechts zwingt. Bisher waren Dividenden und Veräußerungsgewinne aus sogenanntem Streubesitz für inländische Investoren von der Körperschaftssteuer befreit. Weil das für ausländische Investoren nicht galt, fordert der in Luxemburg residierende EuGH nun eine Angleichung. Die Bundesregierung will die Steuerfreiheit daher für Beteiligungen von unter zehn Prozent aufheben.

So komplex das Thema, so gravierend könnten die Folgen sein. Für die Start-up-Szene nämlich wäre die Aufhebung der Steuerfreiheit ein schwerer Schlag. Das jedenfalls glauben Netzpolitiker wie der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses der Bürgerschaft, Hansjörg Schmidt (SPD). "Der Steueranteil würde auf bis zu 49 Prozent steigen", so Schmidt. "Das würde potenzielle Investoren abschrecken."

Das Problem: Kleine IT-Unternehmen bekommen aufgrund ihrer oft riskanten Pläne nur selten Geld von den Banken. Viel häufiger lassen sie ihre Vorhaben von so genannten Business Angels finanzieren, privaten Kapitalgebern, die auch gewagte Vorhaben unterstützen und dabei für den Erfolgsfall auf Verkaufserlöse oder hohe Dividenden spekulieren. Solche Geldgeber, oft selbst junge Internet-Millionäre, sind in Deutschland im Vergleich mit den USA rar gesät. Wenn man sie oder ähnlich agierende Beteiligungsgesellschaften nun mit zusätzlichen Steuern belegt, so sie Befürchtung, könnte die schwächliche Investorenszene "im Keim erstickt werden", so der Chef des Bundesverbands Informationswirtschaft (BITKOM), Dieter Kempf.

Auch der Hamburger Internetinvestor Nico Lumma schlägt Alarm. "Die Kreativbranche ist abhängig von privaten Geldgebern, die frühzeitig in ein Unternehmen investieren", so Lumma. "Dies gilt es zu fördern. Die Abschaffung des Schachtelprivilegs ist eindeutig der falsche Weg." Auch im Senat macht man sich Gedanken. Carsten Brosda, Amtsleiter Medien, fordert: "Wir müssen einen Weg finden, das Ökosystem für Start-ups zu erhalten."

Der Bundesrat hat das Jahressteuergesetz, in dem die umstrittene Änderung enthalten ist, jetzt in den Vermittlungsausschuss überwiesen.