Bevor es ins Atoll-Aquarium darf, muss das Jungtier erst noch zwei Monate in Quarantäne. In Zoos sind diese Fische nur selten zu sehen.

Stellingen. Die kleine Lady ist nervös. Aufgeregt schwimmt sie in dem schwarzen Bottich hin und her und steckt immer wieder den Kopf aus dem Wasser, als wollte sie sagen: "Nun lasst mich doch endlich raus." Tropen-Aquarium-Chef Guido Westhoff lässt seinen neuen Star aber zappeln. Und das mit gutem Grund. "Erst muss das Wasser angeglichen werden, sonst kriegt das Tier Stress, und Stress macht krank." Dann war die ganze Mühe umsonst: die Verhandlungen im Vorfeld, die vierstündige Fahrt zum Burgers Zoo nach Holland, der Rücktransport. Also heißt es: warten! Erst nach einer Stunde gibt Westhoff grünes Licht. Der pH-Wert im Wasser ist gut, Sauerstoff reichlich vorhanden, die Temperatur angeglichen. Jetzt muss es fix gehen. Ab in den Kescher mit dem Tier, dann schnell durch die kalte Luft und hinein ins wohlig-warme Quarantänebecken. Platsch macht es, als der künftige Hagenbeck-Liebling ins 25 Grad warme Wasser fällt und elegant davonsegelt - so, wie es Adlerrochen nun einmal tun.

Adlerrochen kennt jeder. In Naturdokus fliegen sie scheinbar schwerelos am filmenden Taucher vorbei. Sie sind gut zu beobachten, weil sie sich am liebsten nahe der Wasseroberfläche aufhalten, wo sie mit langsamen Schlägen ihrer Brustflossen seelenruhig ihre Runden drehen. Bis zu drei Meter Spannweite haben ausgewachsene Tiere. Sie ziehen einen langen Schwanz hinter sich her und haben einen Stachel zur Verteidigung. Den gebrauchen sie aber nur in größter Not. Adlerrochen sind friedliche Tiere, die noch dazu durch ihren markanten, leicht abgerundeten Schnabel wie lustige Knollenmännchen aussehen. Von drei Metern ist der Hagenbecksche Neuzugang allerdings noch weit entfernt. Nicht mal einen Meter Spannweite hat das junge Weibchen, das mit einem halben Lebensjahr noch in die Kategorie Babyrochen fällt. Das kann sich aber schnell ändern. Der beste Beweis schwimmt bereits im Hai-Atoll, ist ebenfalls ein Adlerrochen und heißt Nari. Sie kam vor einem Jahr mit zwei Kilogramm Gewicht und bringt jetzt neun Kilo auf die Waage. Zu verdanken ist das Tierpfleger Reiner Reusch und seinem Team. Als es mit dem Füttern von Nari und Adlerrochenmann Max zunächst nämlich nicht so gut klappte, bauten sie eine Plattform nahe der Wasseroberfläche. Auf diese gleiten die Rochen nun zweimal am Tag, bekommen Krabben, Seelachsstücke oder im besten Fall Tintenfisch vor das Maul gehalten, schnappen zu und rutschen wieder zurück ins Wasser. Nach vier Monaten Training wissen Nari und Max inzwischen, wie es geht - der kleine, noch namenlose Neuzugang wird es auch noch lernen. Diese aufwendige Spezialbehandlung war nötig, weil die Adlerrochen "einfach ihre Ruhe beim Fressen haben wollen", sagt Guido Westhoff. Die Haie, Zackenbarsch Zorro, Napoleonfisch Bonaparte und die anderen fünf Rochen, das war ihnen einfach zu viel Trubel am Tisch.

Dieser illustren Versammlung bleibt das Jungtier in den kommenden zwei Monaten allerdings noch fern, allein wird es sich im Quarantänebecken eingewöhnen. "Wenn wir sie jetzt ins Hai-Atoll setzen, würden die anderen Tiere schnell merken, dass sie sich noch nicht auskennt und sie im schlimmsten Fall in fünf Minuten zerlegen", sagt Guido Westhoff. Nicht nur friedlich, sondern manchmal außerordentlich schüchtern können Adlerrochen sein. Das lernte das Tierpflegerteam durch Max. Als er eingewöhnt war und sich die Tür zum Hai-Atoll für ihn öffnete, ignorierte Max die angebotene Freiheit beharrlich und wagte sich erst nach vier Tagen in die weite Welt des acht Meter tiefen Megabeckens.

Adlerrochen sind aufgrund ihrer Größe in Zoos nur selten zu sehen. In Europa gelingt die Nachzucht nur im Burgers Zoo in Holland. Die Haltung ist allerdings nicht einfach. Von 21 geborenen Jungtieren in Holland überlebten bisher nur elf Exemplare, drei von ihnen sind jetzt in Hamburg zu sehen, ein viertes soll noch folgen. Guido Westhoff freut sich sehr über das ungewöhnliche Trio mit Max, Nari und dem Neuzugang und hofft langfristig auf einen Zuchterfolg. Die Ausgangslage ist gut, denn die drei Tiere sind nicht miteinander verwandt. Für den Aquariumchef ginge ein Traum in Erfüllung: ein elegant dahingleitendes Adlerrochenweibchen, gefolgt von ein oder sogar mehreren Jungtieren. Bevor daran aber nur zu denken ist, muss erst mal ein Netz rund um das Quarantänebecken gezogen werden. Denn mit lautem Platschen macht der junge Adlerrochen auf sich aufmerksam. Ein Sprung über den Beckenrand wäre für ihn überhaupt kein Problem. Die Landung allerdings wäre hart, trocken und tödlich.