Neue Richtlinie soll für fairere Löhne sorgen und schreibt städtischen Unternehmen vor, Zeitarbeit “auf ein Mindestmaß“ zu reduzieren.

Hamburg. Der Senat will Leiharbeit in städtischen Unternehmen mit einer neuen Richtlinie reduzieren. "Leiharbeit muss auf ein Mindestmaß reduziert und darf nicht zur allgemeinen Steigerung der Wirtschaftlichkeit eingesetzt werden", heißt es in der Richtlinie, die bereits in Kraft ist und dem Abendblatt vorliegt. Die Richtlinie gehört zu mehreren gesetzlichen Maßnahmen des Senats, die für fairere Löhne sorgen sollen. Noch in diesem Jahr soll ein Gesetz beschlossen werden, das einen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto für Beschäftigte der Behörden, Ämter, der öffentlichen Betriebe und der Auftragnehmer der Stadt vorschreibt.

Der Senat war aktiv geworden, weil städtische Unternehmen über Jahre hinweg durch den Einsatz von Leiharbeitern Löhne gedrückt hatten.

So hatte etwa die Stadtreinigung sowohl interne als auch externe Leiharbeiter beschäftigt. Zum einen hatte sich das städtische Unternehmen Mitarbeiter aus den Töchterfirmen Wert GmbH und der Stadtteilreinigung ausgeliehen, ihnen jedoch nicht das Tarifgehalt der Beschäftigten im Mutterkonzern gezahlt. So ergaben sich Gehaltsunterschiede von bis zu fast 500 Euro brutto im Monat - für die gleiche Arbeit. Darüber hinaus wurden bei der Wert GmbH bis zu 50 Leiharbeiter zusätzlich zu den 160 eigenen fest Beschäftigten eingesetzt. Einige der Leiharbeiter arbeiten schon bis zu zehn Jahre im Unternehmen - und wurden jahrelang schlechter bezahlt als die Stammkräfte.

Andere städtische Unternehmen betrieben sogar eigene Leiharbeitsfirmen: Die Wohnungsgesellschaft Saga gründete im Jahr 2007 die BCH BüroConsult Hamburg Gesellschaft für Personaldienstleistungen mbH, in der über 100 Mitarbeiter, vor allem Bürokräfte, zum Leiharbeitertarif beschäftigt wurden.

Die neue Richtlinie gilt für Unternehmen, an denen die Stadt Hamburg mehrheitlich beteiligt ist. Darin heißt es: "Reguläre, auf Dauer angelegte Funktionen dürfen jedoch nicht mit Leiharbeitskräften besetzt werden." Leiharbeit sei nur dann zulässig, wenn der Einsatz zeitlich begrenzt sei und nicht "durch andere organisatorische und personelle Maßnahmen" gedeckt werden könne. Leiharbeiter müssen den gleichen Lohn bekommen wie die Mitarbeiter, die sie in den städtischen Betrieben ersetzen. Alle städtischen Unternehmen müssen dokumentieren, warum und wie lange sie Leiharbeiter eingesetzt haben und was deren Einsatz gekostet hat.

Die Regeln gelten auch für die "konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung". Die Stadtreinigung war der Richtlinie schon zuvorgekommen und hatte angekündigt, die interne Verleihe zu beenden und Leiharbeitern das gleiche Geld für die gleiche Arbeit zu zahlen. Allerdings hatte kurz danach das Zeitarbeitsunternehmen, das Leiharbeiter für die Wert GmbH bereitstellte und jetzt ebenfalls mehr Lohn zahlen muss, sieben langjährigen Mitarbeitern die Kündigung geschickt. Ob alle Gekündigten von der Wert GmbH übernommen werden, ist noch unklar.

Die Saga muss laut der Richtlinie die langjährigen Leiharbeiter ihrer Tochterfirma BCH "in tarifvertragliche Arbeitsverhältnisse" im Mutterkonzern überführen und für die weiteren Leiharbeiter eine sozialverträgliche Lösung finden. Ob es die BCH weiterhin gibt, ist unklar. "Über die Zukunft der BCH laufen derzeit intensive Gespräche", sagte Unternehmenssprecher Michael Ahrens dem Abendblatt.

Die Flughafen GmbH wird durch die Richtlinie dazu verpflichtet, ihre Beschäftigten nach einem Tarifvertrag zu entlohnen, der mindestens 8,50 Euro Stundenlohn vorsieht.

Nach Abendblatt-Informationen gab es innerhalb des Senats Differenzen um die Richtlinie. So soll die Finanzbehörde zunächst einen Entwurf vorgelegt haben, in dem Unternehmen von der Richtlinie abweichen konnten, wenn zu erwarten sei, dass die Existenz des Unternehmens oder eine erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen gefährdet ist. Der Entwurf scheiterte am Widerstand der Gewerkschaft Ver.di und Sozialsenator Detlef Scheele (SPD). Zwar gibt es nach wie vor "existenzielle Ausnahmesituationen". Wenn das Unternehmen oder eine erhebliche Anzahl an Jobs in Gefahr sind, können die Regeln außer Kraft gesetzt werden. Jedoch gelten dafür Bedingungen: Die Betriebsräte der betroffenen Unternehmen müssen zustimmen, auch die Senatskommission für öffentliche Unternehmen. Darüber hinaus müssen automatisch Tarifverhandlungen aufgenommen werden, die tariflose Zustände verhindern sollen und gleichzeitig Gewerkschaften Einblick in die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Unternehmens bieten.

Ver.di-Hamburg-Chef Wolfgang Abel begrüßt die Richtlinie. "Der Senat nutzt die Möglichkeit, wieder Ordnung auf dem Arbeitsmarkt herzustellen. Der Missbrauch von Leiharbeit durch städtische Unternehmen wird durch die Richtlinie gestoppt", sagte er dem Abendblatt. Abel hofft, dass die Richtlinie für die Privatwirtschaft eine Vorbildfunktion hat. "Dort wird Leiharbeit als Mittel zum Lohndumping eingesetzt. Würde hat ihren Wert und Arbeit ihren Preis - deshalb dürfen Arbeitnehmer nicht zur Ware degradiert werden."