Der Eigentümer lässt Mietvertrag am Jungfernstieg auslaufen. Gute Innenstadtlage ist dem Traditionskino zum Verhängnis geworden.

Hamburg. Der Abspann des Films läuft. Er läuft unwiderruflich. Es wird keine Wiederholung und auch keine Neuverfilmung geben, jedenfalls nicht hier, an diesem Ort, wenn überhaupt. Es ist der Abspann eines jahrzehntelangen, äußerst erfolgreichen Streifens, in dem zahllose internationale und nationale Stars und Sternchen sowie die wichtigsten Filmproduzenten, Verleiher und Regisseure eine Rolle spielten. Als Kulisse diente ihnen ein traditionsreiches Haus mit denkmalgeschützter Fassade, das im Jahre 1837 zunächst als Streit's-Hotel am Jungfernstieg Nummer 38 eröffnet wurde und viel später, nach dem Zweiten Weltkrieg, von der Eigentümerfamilie Vogt zu einem Bürohaus umgebaut wurde.

Weil jedoch Großraumbüros damals noch nicht so beliebt waren wie heute, verwandelte man den altehrwürdigen Speisesaal des ehemaligen Hotels kurzerhand in ein Filmtheater - in allerbester Innenstadtlage.

Genau das ist dem Streit's jetzt nach 56 Jahren zum Verhängnis geworden. Denn hier können Vermieter gewerbliche Mieten von 200 Euro und mehr für den Quadratmeter verlangen, was jedoch selbst für ein gut besuchtes Filmtheater nebst beliebter Kinobar absolut jenseits des Bezahlbaren ist. Vom finanziellen Aspekt her ist daher die Entscheidung der kaufmännisch denkenden Eigentümerfamilie Vogt/Reimers, den Mietvertrag zum 31. März des kommenden Jahres auslaufen zu lassen, verständlich und nachvollziehbar.

Oliver Fock, der Geschäftsführer der CineStar-Gruppe, die das Streit's nach wirtschaftlich stürmischen Zeiten erst seit einigen Jahren mit dem spannenden Konzept, Filme in Originalsprache zu zeigen, wieder in ruhigeres Fahrwasser gesteuert hatte, bedauert diese Entscheidung sehr: "Wir, die CineStar-Gruppe, sind sehr traurig darüber, dass sich der Vermieter dafür entschieden hat, unseren Mietvertrag nicht zu verlängern. Wir haben das Streit's über die letzten Jahre hinweg sehr gern betrieben, und wir hätten dies auch zukünftig gern fortgeführt", sagte er gestern.

Ein Lippenbekenntnis ist das bestimmt nicht: Denn erst im vergangenen Jahr wurde für rund 100.000 Euro eine digitale 3-D-Anlage eingebaut. Die moderne Kinotechnik soll jetzt - neben dem Mobiliar - in anderen CineStar-Filmtheatern Verwendung finden.

Die neue Silberleinwand kann jedoch nicht gerettet werden, da beim Aufrollen die Beschichtung brechen würde. Sie würde einen Transport nicht überstehen.

Eröffnet wurde das Streit's am 6. Dezember 1956 mit der britischen Komödie "Doktor Ahoi!", in der Dirk Bogarde und eine junge Französin mit Schmollmund namens Brigitte Bardot die Hauptrollen besetzten. Diese 1950er- und 1960er-Jahre sollten die große Glanzzeit des Kinos allgemein werden, doch das Streit's glänzte eben immer ein wenig mehr - mehr als das älteste Kino Hamburgs, die Passage aus dem Jahre 1913 (das schon einmal gestorben war, aber 2009 wieder auferstehen durfte); mehr auch als das Holi oder das Metropolis, die ebenfalls als "klassische" Filmtheater gelten. Immer wieder wurde in den folgenden Jahren der rote Teppich auf dem Bürgersteig des Jungfernstiegs ausgerollt, um Stars von Romy Schneider bis hin zu Michael Douglas zu begrüßen; aber auch den legendären Blonden, Hans Albers, der dann erst mal an die Bar ging, getreu seinem Motto "Jeden Tag besoffen ist auch ein geregeltes Leben".

1963 lief mit "Das Mädchen Irma la Douce" mit Shirley MacLaine im Streit's sogar eine Weltpremiere über die Leinwand des Streit's; nur zwei der vielen Deutschland-Premieren waren unter anderem "Gandhi" mit Ben Kingsley und "Yentl" mit Barbra Streisand. Das war allerdings nur möglich, weil das Streit's damals den großen internationalen Filmverleihern wie J. Arthur Rank und später der 20th Century Fox gehörte. Das Streit's-Kino wurde so rasch zum bekanntesten Hamburger Filmtheater - zum "Filmpalast". Im Jahr 1980 wurde es sich dann vom Schachtelkino-König Heinz Riech und seiner Ufa einverleibt. Nach der Ufa-Insolvenz wurde das Streit's von der Lübecker Kieft-Gruppe übernommen, deren schlingernde Kinokette dann wiederum von der australischen Kino-Holding Greater Union "gestützt" wurde, zu der auch CineStar gehört. So was nennt man auch "bewegte Geschichte", deren Ende nun jedoch feststeht. "Dies bedeutet allerdings nicht, dass wir uns aus dem Hamburger Markt zurückziehen", sagt Oliver Fock. Denn die Filme in Originalversion hätten eine treue Anhängerschaft. "Wir sind daher mit Hochdruck auf der Suche nach einer neuen Spielstätte." Die zurzeit 21 Mitarbeiter des Streit's sind daran vermutlich auch stark interessiert - denn ein Sozialplan statt eines Arbeitsplatzes ist irgendwie immer bloß ein schlechter Film.