Stellingen. Kennen Sie noch den Ausspruch "Keine Grotte ohne Lotte"? So überschrieb vor mehr als 50 Jahren "Der Spiegel", ein wenig höhnisch, eine Filmkritik zu den Unterwasserabenteuern von Tauchlegende Hans Haas. Dessen Frau Lotte machte vor keiner Grotte Halt. Bleik ist ebenfalls ein begeisterter Taucher, ein bunter Vogel noch dazu - und er liebt seine tägliche Lotte, Verzeihung, Lodde, mit Doppel-D. Denn das ist ein Fisch - und Papageitaucher Bleik ein Vogel.

Für jeden der fünf Schnäbel eine Lodde, so ist die klare Portionierung der Papageitaucher-Delikatesse an jedem Nachmittag im Tierpark Hagenbeck. "Die Vögel haben den ganzen Tag über Zugang zu gefüllten Futternäpfen, nur einmal am Tag gibt es für jeden einen Fisch aus der Hand", sagt Dave Nelde. Das hätten sie den Papageitauchern beigebracht, erklärt der Tierpfleger in der Eismeer-Landschaft. "So können wir den Gesundheitszustand der Vögel von Nahem überprüfen." Damit dieser Imbiss nicht zu einem Bettelverhalten der putzigen Tiere bei den Besuchern in der Freifluganlage führt, wird die Fütterung durch die Tierpfleger mit einem speziellen Pfiff eingeleitet. Dies ist jedoch kein Laut aus der Sprache dieser Vogelart: Die tiefen Rufe des Papageitauchers ähneln eher dem Knarren einer rostigen Türangel. "Das klingt sehr speziell, absolut eigen, irgendwo zwischen Krächzen und Knurren", versucht Dave Nelde eine Beschreibung und lacht.

Papageitaucher haben mit den Papageien nichts zu tun - auch wenn beide große, kräftige Schnäbel haben -, sondern sie zählen zu den Alkenvögeln. Durch ihre weißen Kopfseiten und den markanten dreifarbigen Schnabel sind sie in Europa unverkennbar. Bis 1830 brütete die Art noch auf Helgoland. Zwar gibt es mittlerweile auf der Nordseeinsel wieder vermehrt Papageitaucher-Beobachtungen im Sommer, jedoch unternehmen die Vögel keine Brutversuche. Brütende Papageitaucher findet man derzeit nur in Erdhöhlen an und auf Klippen im nördlichen Atlantik und im westlichen Nordpolarmeer.

Auch Bleik macht da keine Ausnahme, auch wenn er neben den Felsen und dem durch eine Wellenanlage bewegten Wasserteil in der Anlage einen großen Grashügel zur Verfügung hat, der sich für Bruthöhlen bestens eignen würde. "Bleik ist mit sieben Jahren der älteste der fünf Vögel und als Einziger geschlechtsreif. Da müssen wir noch ein wenig warten", sagt Dave Nelde.

Als einziger Zoo in Deutschland, der diese Art hält, und als einer der wenigen in Europa ist Hagenbeck jedoch gewappnet, sollten die Vögel ins Brutgeschäft einsteigen wollen: "Sie können nicht nur in den Grashügel eigene Höhlen graben, sondern haben dahinter, für die Besucher nicht einsehbar, auch noch von uns vorgefertigte Brutboxen zur Verfügung", so der Tierpfleger.

Seine Namen hat der etwa haustaubengroße Vogel, der wie seine vier Artgenossen von einem privaten Züchter nach Stellingen kam, übrigens von dem Fischerdorf Bleik auf der nordnorwegischen Insel Andøya. Hier hatte sich Dave Nelde eigens auf eine "Papageitaucher-Safari" per Boot begeben, um seine Schützlinge, die außerhalb der Brutzeit von Ende August bis Anfang April auf dem offenen Meer leben, einmal in freier Wildbahn zu sehen. "Ein tolles Erlebnis", wie er sagt - auch wenn die Vögel außerhalb der Balz deutlich blassere Schnäbel und Beine haben.

Papageitaucher bewegen sich unter Wasser, genauso wie Pinguine, mit ihren Flügeln fort und können in Tiefen von bis zu 70 Meter hinabtauchen, um Fische und ab und zu auch einmal einen Krebs zu erbeuten. "Unsere fünf tauchen auch viel und sind superneugierig, was unter Wasser passiert", sagt Nelde. "Wenn die Wellenanlage einmal ein kleines Steinchen löst, müssen sie da gleich hinterher." Auf der anderen Seite waren die Papageitaucher aber auch die entspanntesten Vögel, als Regenbogenforellen ins Wasser gesetzt wurden, verrät der Tierpfleger: "Da haben sie keinerlei Angst gezeigt - ganz im Gegensatz zu den Eisenten, die sich zwei Tage lang nicht ins Wasser getraut haben." Außer den beiden Arten bevölkern noch Prachteiderenten, Küstenseeschwalben, Kampfläufer und Säbelschnäbler die Vogel-WG.

Bleibt abzuwarten, wie Bleik reagiert, wenn ihm nachmittags nicht nur eine Lodde serviert wird. Sondern vielleicht eine Lotte Anspruch stellt: Auf eine gemeinsame Bruthöhle.

Lesen Sie nächsten Mittwoch in der letzten Folge: Eisbärin Victoria

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