Eine Glosse von Alexander Schuller

Tante Lilo, die innerhalb der Familie einen skurrilen Ruf genießt, denkt in letzter Zeit häufiger übers Sterben nach. Sie darf das auch, denn sie ist immerhin 87. Allerdings ist sie auch eine zähe Frau, die hervorragend alleine zurechtkommt in ihrer hübschen Mietwohnung, draußen vor der Stadt, im nördlichen Speckgürtel. In die benachbarte Seniorenresidenz geht sie nur zum Bridgespielen, regelmäßig, einmal die Woche.

Eigentlich haben wir nie Tante Lilo zu ihr gesagt. Wir nannten sie meistens Tante Prösterchen. "Wenn ich trinke, sterbe ich, aber wenn ich nicht trinke, sterbe ich auch, also trinke ich", pflegt sie bis heute stets zu sagen, bevor der tägliche zimmerwarme Kümmel ihre Kehle hinunterfließt.

Doch was ihr in letzter Zeit Sorge bereitet, ist ihre eigene Beerdigung. Sie hatte zwar schon alles bis ins kleinste Detail geplant - doch nun hat auch der letzte deutsche Gastwirt im Dorf zugemacht und seinen Laden an einen Pizzabäcker übergeben, und Tante Prösterchen will nun mal Hausmannskost: und zwar deutsche. Somit fallen der örtliche Chinese, der Döner-Grill und der Jugoslawe ebenfalls aus. Wenn wir die Tante besuchten, redeten wir nur noch darüber.

Neulich rief sie dann aufgeregt an, um "wunderbare Neuigkeiten" loszuwerden, ihr eigenes Begräbnis betreffend. Sie habe nämlich das Leichenschmaus-Problem gelöst. Mit einer neuen Tiefkühltruhe. "Wisst ihr, ich habe einfach vorgekocht. Rouladen, Rotkohl, Klöße und viel Sauce. Das braucht ihr dann bloß noch aufzuwärmen."