Wer vom Hamburger Flughafen weit entfernte Ziele direkt ansteuern will, wird enttäuscht. Die lokale Wirtschaft wünscht sich mehr Vielfalt.

Hamburg. Für eine Geschäftsreise mit dem Flugzeug von Hamburg nach Tallinn? Eine direkte Verbindung gibt es nicht. Zur Städtetour nach Kairo oder Florenz? Das geht nur mit Umsteigen. Für den Urlaub in die Karibik? Dafür muss man entweder erst nach Düsseldorf fahren oder einen Zwischenstopp auf einem anderen Flughafen in Kauf nehmen.

Vor allem bei den Interkontinentalrouten ist das Angebot mager: Von Fuhlsbüttel aus kann man nur nach New York, nach Dubai und nach Shanghai fliegen, dorthin allerdings mit einer Zwischenlandung in Frankfurt.

Zahlreichen Hamburger Unternehmern und Managern genügt das nicht. Einer von ihnen ist Heiko Fischer, Vorstandschef des Schienenlogistik- und Waggonvermietkonzerns VTG. "Für ein international operierendes Unternehmen wie die VTG sind kurze Wege zu den europäischen und weltweiten Standorten ein großer Vorteil. Deshalb wünschen wir uns deutlich mehr Interkontinentalverbindungen direkt aus Hamburg", sagt Fischer. "Auch in die europäischen Hauptstädte gibt es zu wenige Flüge."

115 Destinationen werden von Hamburg aus direkt angesteuert. Das klingt nach einer ordentlichen Auswahl, doch andere deutsche Airports bieten mehr: Düsseldorf etwa nennt 180 Flugziele, davon allein 17 Langstrecken. Die Berliner Flughäfen führen 133 Direktverbindungen auf, elf davon sind Interkontinentalrouten. Selbst die - gemessen an der Passagierzahl - deutlich kleineren Flughäfen Stuttgart und Hannover bieten nach eigenen Angaben bis zu rund 100 Ziele, von den internationalen Drehkreuzen Frankfurt und München gar nicht zu reden.

Auch wenn einige der anderen Flughäfen diese Zahlen offenbar etwas schönen, indem sie zum Beispiel auch selten bediente Charterverbindungen mit einrechnen, kann man eines festhalten: "Hamburg ist zwar die zweitgrößte Stadt Deutschlands, aber das spiegelt sich im Flugplan nicht wider", sagt Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer. Die Leistungsfähigkeit des Flughafens sei immer wieder ein Gesprächsthema, wenn Hamburger Geschäftsleute sich treffen. Zwar stelle man nach Abschluss des Ausbauprogramms einen "erheblichen Qualitätssprung" fest, die Abläufe würden als angenehm und effizient wahrgenommen. "Aber es bleibt bei den altbekannten Problemen", so Schmidt-Trenz. "Wir leiden nach wie vor unter dem Mangel an Interkontinentalverbindungen. Das ist der größte Nachteil im Ringen um die Firmensitze international tätiger Unternehmen." Geschäftsreisende, die Ziele auf anderen Kontinenten nur über Frankfurt und München erreichen könnten, seien den üblichen "Umsteigerisiken" ausgesetzt.

Dass es auch anders geht, zeigt ausgerechnet einer der schärfsten Konkurrenten der Lufthansa: "Emirates widerlegt mit den zwei täglichen Flügen nach Dubai die verbreitete Ansicht, dass Langstrecken in Hamburg nicht funktionieren", sagt Jochen Szech, Vizepräsident des Bundesverbands selbstständiger Reiseunternehmen (ASR) und Inhaber des Hamburger Reisebüros Go East. Primär liege die Entscheidung darüber, welche Ziele im Flugplan stehen, bei den Fluglinien und nicht bei den Airports: "Wenn die Fluggesellschaften den Bedarf nicht sehen, setzen sie hier kein Flugzeug ein." Darüber hinaus könne man eine "gewisse Arroganz" bei den großen Airlines feststellen, die häufig eher ein Interesse daran hätten, die Passagiere durch ihre Drehkreuze zu schleusen, als sie per Direktflug an ihr Ziel zu bringen.

Nach Auffassung von Szech könnte sich der Hamburger Flughafen allerdings beim Marketing für neue Flugverbindungen aktiver zeigen. So pflege etwa die Düsseldorfer Flughafengesellschaft intensivere Kontakte zu den Reisebüros. Und selbst im Hinblick auf den für die Hamburger Wirtschaftsbeziehungen wichtigen Ostseeraum sei das Angebot am Flughafen der Hansestadt "nicht üppig", findet Szech. "Hannover hat Hamburg bei den Verbindungen nach Osteuropa den Rang abgelaufen."

Eine andere Lücke nennt Luca Sandrucci, einer der Geschäftsführer des Reisebüros Reise Szene in Eppendorf: "Bei Italien-Verbindungen sieht Hamburg schlecht aus, dabei ist die Nachfrage unserer Kunden nach Flügen zum Beispiel nach Sizilien sehr groß - und Pisa war noch nie im Programm, das ist fast eine Schande."

Michael Eggenschwiler, Chef von Hamburg Airport, hält die Kritik am Flugangebot für unberechtigt. "Unser Streckennetz zeichnet sich durch Vielfalt aus", sagt er. "Die Passagiere haben hinsichtlich der Flugziele eine große Auswahl, aber auch hinsichtlich der Fluggesellschaften sowie des Preis- und damit Serviceniveaus." Eggenschwiler räumt jedoch ein, dass Europa für den Flughafen der wichtigste Markt sei und man Interkontinentalstrecken nur als "Ergänzung" ansehe. "Unser Ziel ist es natürlich, neben den bestehenden Verbindungen nach Dubai, New York und Shanghai weitere Langstreckenflüge anbieten zu können", sagt er. Die Entscheidung darüber liege aber allein bei den jeweiligen Fluglinien.

Für die nächsten Jahre zeigt sich Eggenschwiler aber optimistisch. Er begründet das mit der Markteinführung von mittelgroßen, besonders sparsamen Langstreckenjets wie dem Airbus A350 oder dem Dreamliner Boeing 787: "Diese Flugzeugmuster sind für Fernverbindungen außerhalb von Drehkreuzen besonders attraktiv."

Dass solche Maschinen mehr Punkt-zu-Punkt-Flüge als heute ermöglichen, sieht auch Schmidt-Trenz als Chance. Er verweist aber auch auf neue Herausforderungen: "Mit dem neuen Berliner Flughafen wird Hamburg einen noch stärkeren Wettbewerber bekommen." Damit nicht genug: "Kopenhagens Airport liegt schon heute deutlich vor Hamburg. Wenn die Fehmarnbeltquerung kommt, wird diese Konkurrenz noch zunehmen." Schließlich sei Kopenhagen von Hamburg etwa gleich weit entfernt wie Berlin. Für Schmidt-Trenz ist klar: "Hamburgs Flughafen braucht eine klare Strategie. Ziel muss es sein, eine hervorragende Verbindungsqualität wenigstens zu den europäischen Zielen zu haben."

Die Lufthansa als dominierender Anbieter macht der Hansestadt ohnehin wenig Hoffnung auf weitere Langstrecken. "Hamburg sehen wir nicht als Basis für ein Drehkreuz", sagt Oliver Wagner, der beim Kranichkonzern den Verkehr abseits der sogenannten Hubs Frankfurt und München leitet. "Andere Netzwerkfluggesellschaften wie unsere Wettbewerber in Frankreich oder England kommen mit nur einem Hub aus - in Paris beziehungsweise London. Wir arbeiten aufgrund anderer Rahmenbedingungen mit zwei Drehkreuzen in Deutschland", erklärt Wagner. Derzeit bestehe kein Bedarf für weitere - und es gebe gute Gründe dafür, warum die Lufthansa von Düsseldorf aus Interkontinentalflüge anbiete: "Düsseldorf hat ein riesiges Einzugsgebiet mit rund 20 Millionen Einwohnern und ein viel größeres Nachfragepotenzial." Aus diesem Grund habe man dort drei Langstreckenflugzeuge stationiert.

"Auch wenn wir von Hamburg und Berlin aus keine Lufthansa-Interkontinentalflüge anbieten - unser Partner United tut dies für uns -, sind dies weitere sehr wichtige Standorte für uns", so Wagner. "In Hamburg haben wir unseren Marktanteil in den vergangenen Jahren stetig ausgebaut, sind dort mit Abstand Marktführer, beschäftigen dort aktuell 26 Jets und bieten den Hamburgern ein weit gefächertes Europaflugnetz an."