18 Schüler gestalteten den Auftakt des Abendblatt-Projekts. Neuntklässler verarbeiteten 200 Abendblätter für Kulisse und Kostüme.

Hamburg. Rabia Butt steht auf der Bühne in der Pausenhalle der Stadtteilschule Eidelstedt. Die Neuntklässlerin hält ein Hamburger Abendblatt in den Händen. "Ich bin 'Aus aller Welt'", sagt die Schülerin laut. "Mein Vater ist Afrikaner, meine Mutter ist Chinesin und mein Großvater wurde in Spanien geboren." Joshua Fieger steht neben dem Mädchen: "Ich bin 'Live', weil ich Musik über alles liebe." Elif Kaya ist "Kultur", weil sie bei jeder Theateraufführung in der ersten Reihe sitzt. Zeynep Dumas ist ein "Rätsel" - in jeder Beziehung knifflig. Tyrin Hauck ist "Wirtschaft", weil er Bauer werden will.

Rabi, Joshua, Elif, Zeynep und Tyrin sind fünf von 18 Schülern, die gestern den Auftakt des Abendblatt-Projekts "Schüler machen Zeitung" (SMZ) gestalteten. Sie stellten sich mit Identitäten vor, getragen von den Ressortnamen im Hamburger Abendblatt.

Das Motto der Schüler-Präsentation: "Am Anfang beginnen und gehen Sie bis zum Ende: dann Stopp." Klingt verrückt. Soll es auch sein. Die Neuntklässler verarbeiteten in der vergangenen Woche 200 Abendblätter für Kulisse und Kostüme. Sie klebten, schnippelten, rollten, falteten das Papier zu Wandtapeten, Geldscheinen, Fußbällen, Baseballschlägern. Sie gestalteten eine verkehrte Zeitungswunderwelt, ein absurdes Haus der Ideen und Bilder, der Meinungen und Standpunkte, der Annahmen und Aussagen.

All das in Anlehnung an die Dadaismus-Bewegung der Künstler und Schriftsteller, die von 1916 an im demokratischen Sinne obrigkeitshörige Verhaltensweisen infrage stellten, die Werte Freiheit und Unabhängigkeit an die Spitze ihrer Aktionen stellten und unkonventionelle Denkmuster einforderten.

"Deutschland ist eines der demokratischsten Länder der Welt", so Klassenlehrer Christian Scheithe, zur Feier des Tages herausgeputzt mit einer aus Abendblatt-Papier gefalteten Krawatte. "Eine Säule der Demokratie ist die freie und unabhängige Presse. Deshalb ist es für uns eine große Chance, bei 'Schüler machen Zeitung' mitmachen zu können." Schulleiter Hayo Hayunga trat als Dadaismus-Begründer Hugo Ball auf die Bühne, bekleidet mit einem aus Zeitungspapier geformten Spitzhut und einem Abendblatt-Cape. "Wir freuen uns, dass unsere Schüler mit dem Projekt die Möglichkeit bekommen, eingefahrene Denkmuster zu überwinden und eigene Gedanken in Form von Artikeln im Hamburger Abendblatt veröffentlichen zu können."

Ab sofort werden die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9f und von 50 weiteren Klassen und Kursen in Hamburg und der Region mithilfe ihrer Lehrer sechs Wochen lang lernen, wie eine Tageszeitung entsteht, was es heißt, Hintergrundinformationen für Artikel zu beschaffen, zu recherchieren, zu schreiben und Texte zu redigieren. Zum Projektunterricht zählt die tägliche Lektüre des Hamburger Abendblatts. Die Jugendlichen erhalten die Möglichkeit, die Zeitungsdruckerei in Ahrensburg zu besuchen und die Redaktion des Hamburger Abendblatts im Axel-Springer-Gebäude kennenzulernen.

Joshua Fieger fiebert schon jetzt dem Schreiben für die Zeitung entgegen. "Ich schreibe immer schon total gerne Artikel und Geschichten", sagt der Neuntklässler. "Ich bin gespannt, wie es sein wird, fürs Abendblatt zu schreiben." Joshuas Text wird demnächst im Abendblatt zu lesen sein. Die Schüler-Texte werden einmal wöchentlich auf Sonderseiten im Abendblatt veröffentlicht. Die zehn interessantesten Artikel werden von einer Jury prämiert. Außerdem werden die Fotos der teilnehmenden Schulkassen abgedruckt.

",Schüler machen Zeitung' ist für uns eines der wichtigsten Projekte", sagt Wolfgang Blümel, Geschäftsführer der Haspa Hamburg Stiftung, die das Projekt seit Jahren fördert. "Es ist ein ganz besonderes Projekt", sagt auch Arthur Gottwald von der Hamburger Schulbehörde, die SMZ unterstützt. "Das hat sich schon am ersten Tag bei den Eidelstedter Schülern gezeigt. Die Schüler haben die Präsentation fächer- und jahrgangsübergreifend jenseits üblicher Denkmuster gestaltet. Eine große Chance für die Schulen und die teilnehmenden Schüler."

Das war das Besondere an der SMZ-Präsentation der Eidelstedter Schüler: Nicht nur die Schüler der Klasse 9f beteiligten sich an der SMZ-Premiere. Musiker des 11. und des 13. Jahrgangs stimmten das Publikum auf die Zeitungsaktion ein. Schülerinnen des Tanzprofils verteilten aus Abendblättern geformte Blumensträuße an die Zuschauer.

In einem Wettbewerb mussten Kandidaten aus dem Publikum rückwärts gelesene Abendblatt-Schlagzeilen erkennen. Als Belohnung für die Kopfarbeit verteilte Lehrer Christian Scheithe aus Zeitungspapier kreierte Geldscheine.

Die Schüler haben schon heute erkannt: Man kann Zeitung nicht nur lesen. Auch darüber, was sich nach dem Lesen mit dem bedruckten Papier anstellen lässt, haben sich die Eidelstedter Stadtteilschüler Gedanken gemacht. Sie falten daraus einen Heftumschlag, wickeln damit Geschenke ein, drehen daraus ein Fernglas, gestalten damit Collagen, knüllen es zusammen und spielen damit Fußball. Rabia Butt hat eine besonders praktische Idee. "Wenn ich die Zeitung gelesen habe, putze ich damit die Fenster."