Mitten in den Schlussworten stieg das Gericht plötzlich wieder in die Beweisaufnahme ein. Urteilstermin am Freitag wackelt.

Neustadt. Es hatte den Anschein, als gelänge es dem Landgericht tatsächlich, am Freitag ein Urteil im Prozess gegen zehn mutmaßliche somalische Piraten zu verkünden - zwei Jahre nach Verhandlungsbeginn. Alle Plädoyers waren gehalten, es fehlten nur noch die Schlussworte der Angeklagten. Doch jetzt wackelt der Termin: Mitten in den Schlussworten der zehn mutmaßlichen Seeräuber aus Somalia, die am 5. April 2010 den Hamburger Containerfrachter "Taipan" gekapert haben sollen, ist die Kammer gestern - am 104. Prozesstag - wieder in die Beweisaufnahme eingetreten. Anlass war das letzte Wort eines Somaliers, in dem er neue Details nannte - unter anderem, dass er die Telefonnummer eines angeblichen Hintermanns des Piratenangriffs habe.

Der Verteidiger eines weiteren Angeklagten beantragte darauf, den Behauptungen auf den Grund zu gehen. Ob das Gericht nun wie geplant an diesem Freitag ein Urteil verkünden kann, ist unklar. Nach dem erneuten Eintritt in die Beweisaufnahme müssen alle Plädoyers und auch die letzten Worte der Angeklagten wiederholt werden

Bevor der Anwalt den neuen Antrag stellte, hatten die Angeklagten, die sich großenteils für den Überfall entschuldigten, bereits sehr emotionale Schlussworte gehalten. "Ich denke oft an Selbstmord", sagte einer unter Tränen. Er mache sich große Sorgen um seine Kinder im zerrütteten Somalia: "Ich weiß nicht, wann ich sie wiedersehen werde und ob ich sie lebend wiedersehen werde." Ein anderer bat um Milde: "Bitte geben Sie mir eine Chance, mein Leben neu zu gestalten." Die Staatsanwaltschaft hatte zwischen vier und zwölf Jahre Haft gefordert, die Verteidigung Freispruch oder niedrige Freiheitsstrafen beantragt.