Höchstes Verwaltungsgericht untersagt Ausbaggerung vorerst. Naturschutzverbände triumphieren. Bundesverkehrsminister empört.

Leipzig/Hamburg. Es ist ein schwerer Rückschlag für den Hamburger Senat und die Hafenwirtschaft: Das Bundesverwaltungsgericht hat die seit fast sechs Jahren geplante Elbvertiefung vorläufig gestoppt. Die Leipziger Richter folgten damit dem Eilantrag der Naturschutzverbände BUND und Nabu. Das bedeutet: Die Baggerarbeiten in der Unterelbe zwischen Hamburg und Cuxhaven dürfen nicht aufgenommen werden, bis das Gericht in der Hauptsache über die Rechtmäßigkeit des Projekts entschieden hat.

Die Verzögerung für die aus Sicht der Hafenwirtschaft dringend erforderliche Elbvertiefung könnte rund eineinhalb Jahre betragen. Nach Angaben der Gerichtssprecherin Renate Philipp strebt der zuständige 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts an, "bis Ende 2013 zum Hauptsacheverfahren zu kommen". Noch könne ein verbindlicher Termin nicht genannt werden. Es sei auch nicht auszuschließen, dass die Elbvertiefung auch noch vor den Europäischen Gerichtshof kommen könnte, was die endgültige Entscheidung zusätzlich verzögern dürfte.

Die Nachricht traf Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) während ihrer Indienreise unerwartet. "Mich hat die Entscheidung überrascht", sagte Horch dem Abendblatt in der Hafenstadt Mumbai, wo er heute mit Scholz auf einer Fachkonferenz für den Hafen Hamburg werben will. Auch wenn ihm eine andere Entscheidung lieber gewesen wäre, so Horch, sei er weiterhin positiv gestimmt, "dass Hamburg die Elbvertiefung als Ganzes im Hauptsacheverfahren zum Abschluss bringen" werde. "Ich bin zuversichtlich, dass die jetzige Entscheidung nicht zu einer langjährigen Verzögerung des Vorhabens führen wird", sagte der Senator. Scholz äußerte sich nicht.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) machte aus seiner Kritik keinen Hehl. "Das ist eine katastrophale Entscheidung für den Logistikstandort Deutschland. Manchmal wissen sie (die Richter, die Red.) nicht, was sie tun", sagte Ramsauer in Berlin. Die Elbvertiefung ist ein Bundesprojekt unter der Regie der Wasser- und Schifffahrtsdirektion in Kiel. Mit der neunten Ausbaggerung des Flusses seit dem Jahr 1800 soll die Elbe verbreitert und durchgängig von 13,50 auf 14,50 Meter vertieft werden, damit auch die größten Containerschiffe Hamburg tideunabhängig anlaufen können.

Das Gericht betonte in seinem Beschluss, dass der Ausgang des Hauptverfahrens offen sei. Zwar gebe es ein "gesteigertes Vollzugsinteresse, das aus der (internationalen) Verkehrsbedeutung des Ausbauvorhabens folgt". Andererseits lasse "sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen, dass aufgrund der Vorbelastungen durch frühere Ausbaumaßnahmen und der Dimension des geplanten Vorhabens bereits als Folge der Initialbaggerung ... ein 'Umkippen' des Ökosystems" drohe. Die Richter erlauben lediglich, dass die Wasser- und Schifffahrtsdirektion die Ufersicherung am Altenbrucher Bogen (Landkreis Cuxhaven) fortsetzt und mit der "Baufeldräumung" beginnt. Dabei handelt es sich um die Bergung von Wracks, Ankerketten und Schrott in der Fahrrinne.

"Die Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Strategie der Elbvertiefer ist gescheitert", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Umweltschutzverbände BUND, Nabu und WWF. Die Entscheidung des Gerichts sei "eine große Chance für den Naturschutz an der Elbe". Die Verbände rechnen mit einer Verfahrensdauer zwischen zwei und vier Jahren, je nachdem ob auch der Europäische Gerichtshof einbezogen werden muss.

Der Hamburger Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer sprach von einem "zeitlichen Rückschlag". Jetzt müsse es darum gehen, das weitere Verfahren "zum Wohle von Wirtschaft und Arbeit in der Metropolregion schnellstmöglich zum Abschluss zu bringen".