Investor stoppt Osdorfer Bauprojekt. SPD-Bezirkspolitiker kritisiert die Finanzbehörde: “Sie hat Vorhaben gegen die Wand gefahren.“

Hamburg. Die Wolken hängen tief an diesem Herbstmontag. Feiner Nieselregen verteilt sich über die bunten Blätter der Bäume. Glücklicherweise sind die DIN-A4-Zettel, die am Zaun zum Cricketplatz am Hemmingstedter Weg befestigt sind, regendicht eingeschweißt. Auf einem der Zettel wird die Frage beantwortet: "Was ist Cricket?" Ein anderer Zettel erklärt Fachbegriffe.

Die Sportanlagen, neben Cricket wird auf dem großzügigen Gelände Tennis und Hockey gespielt, liegen verlassen da. Die angrenzenden Plattenbauten des Zentrums für Schulbiologie und Umwelterziehung (ZSU) sind durch das Blättermeer kaum zu erkennen. Die viel befahrene Osdorfer Landstraße verläuft nur ein paar Hundert Meter nördlich von hier. Und doch liegt eine idyllische Ruhe über den Bäumen und den Einfamilienhäusern, die sich hinter mannshohen Decken ducken.

Diese Ruhe dürfte vorerst Bestand haben. Das Unternehmen Quantum, das auf einem Drittel des 93 000 Quadratmeter großen Geländes 236 Wohnungen bauen wollte, hat jetzt seinen Rückzug erklärt. Die Sprecherin des Bezirksamts Altona, Kerstin Godenschwege, bestätigte gestern den Eingang einer entsprechenden E-Mail. Über den Grund des Ausstiegs will sie nichts sagen und verweist auf Quantum. Doch das Unternehmen und sein Geschäftsführer Frank Gerhard Schmidt hüllen sich in Schweigen.

Im Jahr 2010 hatte Quantum mit dem Projekt "Wohnen am Ziegelteich" einen Ideenwettbewerb der Finanzbehörde gewonnen. 236 Wohnungen sollten hier entstehen, ZSU und Sportvereine dafür ein Drittel der Fläche hergeben. Während das ZSU hätte umziehen müssen, wurden die Sportvereine mit einer millionenschweren Belohnung gelockt: Die maroden Sportplätze sollten saniert und modernisiert werden.

Doch das Bauvorhaben stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Anwohner, die um ihre Ruhe und den Wert ihrer Häuser fürchteten, gingen auf die Barrikaden. Ihr Argument: Durch den Bau wird der vom ehemaligen Bausenator Gustav Oelsner (1879-1956) geschaffene Grüngürtel von Eidelstedt bis zur Elbe gefährdet. Ein Bürgerbegehren hatte Erfolg. Derzeit werden die Stimmen für einen Bürgerentscheid gesammelt.

Durch den Widerstand der Anwohner entwickelte sich das Projekt auch für den SPD-geführten Senat zu einem Problem. Während die Bezirkspolitiker, allen voran SPD-Wohnungsbauexperte Mark Classen, versuchten, mit den Anwohnern ins Gespräch zu kommen, erhöhte die Finanzbehörde im Frühsommer den Druck. In dem Entwurf für eine Drucksache wurde angedroht, das Bauprojekt zu evozieren. Damit hätte der Senat das Vorhaben an sich gezogen, und das Bürgerbegehren dagegen wäre ins Leere gelaufen. Zwar musste die Behörde die Drucksache auf Eis legen. Doch das Vertrauen war dahin.

Classen nahm denn gestern auch kein Blatt vor den Mund. "Aus meiner Sicht hat die Finanzbehörde das Projekt gegen die Wand gefahren", sagte er. "Mit ihrer Evokationsdrucksache vergiftete sie die Atmosphäre vor Ort und schürte dadurch lediglich Widerstand."

Gerade bei innerstädtischem Bauen sei es wichtig, vor Ort Akzeptanz herzustellen, und unverzichtbar, mit den Anwohnern von Anfang an zu reden, fügte Classen hinzu. "In der Finanzbehörde aber sitzen Immobilienmanager in Nadelstreifenanzügen, die die Situation vor Ort nicht kennen und keine Ahnung vom Wohnungsbau haben."

Die Stadtentwicklungsbehörde nahm Classen von seiner Kritik aus. Deren Chefin, Senatorin Jutta Blankau, bedauerte den Ausstieg von Quantum. Zugleich sagte sie, "Nutzungskontroversen sind Teil der üblichen Auseinandersetzung im Wohnungsbau". Ob am Hemmingstedter Weg ein anderer Investor zum Zuge komme, sei Angelegenheit des Bezirkes Altona.

Classen sieht dafür kaum eine Chance. "Aus meiner Sicht ist die Sache tot." Bezirksamtssprecherin Godenschwege ergänzte, das Projekt habe ohnehin nicht die höchste Priorität gehabt. Grundsätzlich gelte die Regel, Sportanlagen und Grünflächen nicht zu bebauen, sagte sie. Im Übrigen liege der Bezirk Altona bei der Genehmigung von Wohnungsbauprojekten deutlich über dem Plan. Der Bezirk habe in diesem Jahr bislang die Genehmigungen für den Bau von mehr als 1300 Wohnungen erteilt. "Unsere Vorgabe liegt bei 900."

Dirk-Peter Lühr von der Bürgerinitiative traut dem Frieden jedoch nicht. "Wir werden weiter Unterschriften sammeln", sagte er gestern. "Wir wollen erreichen, dass die Umwandlung des Sportgeländes in Bauland ein für allemal vom Tisch ist."