Weltweit hatten Zielfahnder der Polizei nach 52-Jährigem aus Horn gefahndet. Jetzt wartet er in Hamburg auf seinen Prozess.

Hamburg/Guayaquil. Als er die ecuadorianischen Elitepolizisten vor seiner Haustür sah, muss Peter R. geahnt haben, dass es nun vorbei ist mit dem Leben im südamerikanischen Paradies. Keine Cocktails mehr unter Palmen, keine langen Siestas bei Traumtemperaturen von 30 Grad Celsius, kein entspanntes Leben mit seiner neuen Ehefrau. Es war der Moment, in dem Peter R. spürte, dass seine Glückssträhne, die mit einem Lottogewinn von rund 700.000 Euro so furios begonnen hatte, schlagartig endete.

Der 13. März 2012 wurde so zum Erfolgstag für die Hamburger Zielfahndung - und zum wohl schwärzesten Tag im Leben von Peter R. Weltweit hatte die Polizei nach dem 52 Jahre alten mutmaßlichen Kinderschänder gefahndet. Am vergangenen Sonnabend landete er schließlich in Begleitung von Zielfahndern am Hamburger Flughafen. Von dort ging es direkt ins neue, deutlich kühlere Zuhause: das Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis. "Ein toller Ermittlungserfolg", sagt Polizeisprecher Andreas Schöpflin.

Der einschlägig vorbestrafte 52-Jährige hat bereits zwischen 2003 und 2005 zwei Jahre Haft verbüßt, weil er ein Kind missbraucht hatte. Danach versteckte Peter R. seine pädophile Neigung offenbar hinter einer bürgerlichen Fassade: Er heiratete in Hamburg eine Südamerikanerin und verdiente sein Geld, indem er auf Flohmärkten und bei öffentlichen Veranstaltungen Torwände aufstellte. Bei so einer Aktion in Eutin lernte er auch Thilo F. kennen. Mehrmals lud er den Zwölfjährigen in seine Wohnung nach Horn ein und verging sich dort viermal an dem Jungen. In einem Fall filmte er den Missbrauch sogar. Polizisten fanden später Tausende kinderpornografische Bilder und Videos auf seinem Rechner. Insgesamt 15 Sexualstraftaten soll er zwischen Januar 2010 und Januar 2011 begangen haben, die Ermittler kamen ihm durch Einträge auf pädophilen Internetseiten auf die Schliche. Am 20. Dezember 2011 erwirkte die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl.

Doch da ist er schon längst untergetaucht. Anfang 2011 hat Peter R. im Lotto gewonnen, will mit dem Geld - es sind fast 700.000 Euro - ein neues Leben in Südamerika beginnen. Im März 2011 besucht er zunächst Verwandte in Panama, fliegt wenig später weiter nach Ecuador. Seine neue Wahlheimat wird Guayaquil, die mit 2,15 Millionen Einwohnern größte Stadt Ecuadors und Hauptstadt der Provinz Guayas.

Peter R. muss in der Hafenmetropole gelebt haben wie ein König. 800 Euro monatlich reichen, um bei den im Vergleich zu Deutschland niedrigen Lebenshaltungskosten ein gutes bis sehr gutes Leben führen zu können. Mit seinem Lottogewinn gehört Peter R. zur Oberschicht. Kaum angekommen in Guayaquil, kauft er ein schickes Einfamilienhaus und einen protzigen Wagen. Doch der 52-Jährige verpulvert das Geld nicht, er denkt langfristig: Einen Teil seines Vermögens will er in Immobilien in Panama und eine Großsolaranlage investieren. Monatelang führt der Triebtäter mit seiner neuen Ehefrau, einer Einheimischen, das Leben eines sorgenfreien Privatiers. Doch der per internationalem Haftbefehl gesuchte Straftäter wird unvorsichtig: So hebt er immer wieder Geld von demselben Bankautomaten ab. Ende 2011 nehmen die Zielfahnder im fernen Deutschland diese Spur auf. Sie verhören seine ebenfalls aus Südamerika stammende, noch in Hamburg lebende Ex-Ehefrau, sie überprüfen, wann Peter R. wohin geflogen ist. Sie verfolgen die Bewegungen auf seinem Konto und tragen in kleinteiliger Arbeit alle greifbaren Daten über ihn zusammen. Als sie alle Zahlen und Daten zusammengeführt haben, sind sie sicher: Peter R. befindet sich in Ecuador.

Dann kontaktieren sie Verbindungsbeamte des Bundeskriminalamtes in Kolumbien, die wiederum vor Ort eng mit den Behörden in Guayaquil zusammenarbeiten. Am 13. März ist es so weit: Elite-Polizisten der Policia Metropolitana nehmen Peter R. in seinem Haus fest und bringen ihn ins Untersuchungsgefängnis Ex-Penal Garcia Moreno. Doch der mutmaßliche Triebtäter wehrt sich mit Händen und Füßen gegen seine Auslieferung, legt mehrfach Widerspruch ein. Die Chancen stehen anfangs nicht schlecht: Weil es zwischen Deutschland und dem südamerikanischen Land kein Auslieferungsabkommen gibt, bekommt Deutschland häufig einen Korb, wenn es sich um die Auslieferung von Betrügern oder Rauschgifthändlern bemüht. Am Ende ist es aber Staatspräsident Rafael Correa persönlich, der die Auslieferung anordnet. "Bei mutmaßlichen Pädophilen denkt man darüber in Ecuador offenbar anders", sagt Schöpflin.

In Hamburg wartet Peter R. auf seinen Prozess. Er wird sich wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs verantworten müssen. Ihm drohen wenigstens zwei Jahre Gefängnis.