Bezirk Mitte will auf Plätzen wieder klassische Bänke aufstellen und fürchtet sich nicht vor Obdachlosen, die dort übernachten könnten.

Hamburg. Erhalten die klassischen Sitzbänke jetzt wieder eine Chance in der Innenstadt? Es sieht so aus. Nachdem jahrelang bequeme Sitzmöglichkeiten in öffentlichen Räumen abgeschafft und keine neuen aufgestellt wurden, will der Bezirk Mitte mehr Sitzbänke platzieren. "Wir setzten uns im Bezirk dafür ein, abgebaute Bänke wieder zu ersetzen", sagt Michael Osterburg, Fraktionschef der Bezirksgrünen.

Auch die Bezirks-CDU in Mitte vertritt diese Meinung. Gunter Böttcher, stellvertretender CDU-Fraktionschef und Vorsitzender des Stadtplanungsausschusses, sagt: "Es wäre ein Armutszeugnis für die Gesellschaft, wenn man meint, das Problem der Obdachlosigkeit oder der Obdachlosen im öffentlichen Raum lässt sich durch Bänke ohne Lehnen lösen, sei es als bewusste Entscheidung oder durch stillschweigende Übereinkunft."

Jahrelang wurden in der Innenstadt nach einer stillen Übereinkunft von Planern und Architekten keine klassischen Bänke mit Rückenlehnen mehr aufgestellt. Den Ruhesuchenden werden heute - wenn sie kostenfrei sitzen wollen - fast ausschließlich unbequeme Sitzmöglichkeiten angeboten: platte, einfache Lattenroste ohne Rückenlehne, Betonquader oder Steine. Für viele sind das Schikanen, die nicht zum Verweilen einladen.

Kein einziger neuer öffentlicher Platz in der Innenstadt bietet bequeme Sitzmöglichkeiten. Auch nicht Plätze, in deren Umbau mehr als eine Million Euro geflossen sind, wie in den geschichtsträchtigen Domplatz, wo beleuchtete, sogenannte "Plastikkissen" aufgestellt wurden.

Als Argument gegen klassische Bänke wurde vielfach angeführt, dass Obdachlose die Bänke als Schlafplätze oder Treffpunkte nutzen, was unerwünscht sei. Andere Argumente gegen Bänke aus den Abteilungen der Stadtplaner sind schwer nachzuvollziehen. So würden Bänke ohne Rückenlehnen aufgestellt, weil die Menschen darauf in mehrere Richtungen gucken wollten, heißt es. "Ein lächerliches Argument", findet Michael Osterburg, der "immer wieder hört, dass Menschen richtige Bänke auf den öffentlichen Plätzen fordern". Er sieht in den Obdachlosen kein Problem. "Wir haben nichts gegen Obdachlose, die auf Bänken übernachten, wenn diese am kommenden Morgen anderen Ruhesuchenden Platz machen und keinen Müll zurücklassen", sagt er.

Olaf Duge, der stadtentwicklungspolitische Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion, vergleicht den Bezirk Mitte mit dem Bezirk Wandsbek: "Man kann Wohnungslose als Argument gegen Sitzbänke nicht anführen. Das zeigen auch Erfahrungen aus anderen Bezirken. So haben wir auf den öffentlichen Flächen am Wandsbeker Markt, wo es auch Wohnungslose gibt, Sitzbänke aufstellen lassen, und zwar einvernehmlich in der Bezirkspolitik."

Der Bezirk Mitte wolle - so sagt Duge - "Schaufenster ohne Obdachlose sein". Sein Vorwurf: "Man will die Außengastronomie befördern, indem man kostenfreie Sitzmöglichkeiten verhindert." Doch zur Aufenthaltsqualität zählten auch kostenfreie und bequeme Sitzmöglichkeiten.

Duge weist darauf hin, dass beim geplanten Ausbau des Ostpreußenplatzes am Bahnhof Wandsbek-Gartenstadt auch richtige Sitzbänke aufgestellt werden sollen. "Die Menschen halten sich dort an den Busstationen ja länger auf."

Karin Loosen, Vorsitzende vom Bund deutscher Architekten, beurteilt die Bänke im größeren Zusammenhang. "Wir müssen alle Freiräume in Hamburg besser qualifizieren, weil der städtische Raum mit Tausenden zusätzlichen Wohnungen verdichtet wird. Die Aufenthaltsqualität muss auf vielfältige Weise gesteigert werden", sagt sie. Dazu gehörten Sitzmöglichkeiten, aber auch eine stimmungsvollere Beleuchtung, mehr Grün und Spielmöglichkeiten. Loosen: "Mit qualifizierteren Räumen haben wir eine zufriedenere Stadtbevölkerung. Hamburg muss dafür mehr Geld zur Verfügung stellen."

Wie öffentlicher Raum in Hamburg "mutig" gestaltet werde, das zeige die HafenCity besonders gut. Loosen: "Da findet man richtige Stadtmöbel zum Chillen, beinahe hätte ich gesagt: zum Hinlümmeln."

HafenCity-Chef Jürgen Bruns-Berentelg bestätigt dies: "Die Bänke, die in der HafenCity für das Liegen gedacht sind, heißen Lungomares, sie sind nach einer Idee einer Stein gewordenen Welle entworfen." Bruns-Berentelg erklärt, dass der Anteil klassischer Sitzbänke mit Rückenlehnen in der HafenCity besonders hoch sei. Er sagt: "Entscheidend für unsere Bänke sind die Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten, der Komfort und die Haltbarkeit." Ein Ansatz, der sich in Hamburg langsam durchzusetzen scheint.