Monatelang wurde eine Hamburgerin von Betrügern am Telefon belästigt, fiel aber nicht auf ihre Tricks rein. Fall jetzt bei der Polizei.

Hamburg. Langsam kehrt etwas Ruhe ein. Endlich, nach fast zwei Jahren. So lange wurde Charlott Friedrichsen terrorisiert, am Telefon. Betrüger mit Gewinnspielen und anderen unseriösen Angeboten wollten nur eines: ihr Geld. "Im Jahr 2008 nahm ich erstmals an einem Preisausschreiben teil. Ich habe zwar nichts gewonnen, aber ein gutes Jahr später wurde ich immer wieder von verschiedenen Glücksspielanbietern angerufen", sagt sie.

Insgesamt 83 Telefonnummern hat sie sich zwischenzeitlich notiert, von dubiosen Firmen, die ihr neben anderen Tricks angeblich einen Gewinn zustellen wollten. Doch zuvor hätte sie eine kleine Summe Geld als Bearbeitungsgebühr überweisen müssen. Auch Unternehmen, die ihr einen neuen Telefonvertrag aufdrängen wollten, riefen an. Einige ausländische Telefonnummern mit Ländervorwahlen von Zypern, Frankreich oder Österreich stehen ebenfalls auf ihrer Liste.

Die Hamburgerin hat zwar kein Geld verloren, da sie entweder sofort aufgelegt oder die Anweisungen der Betrüger ignoriert hat. Aber unzählige, oft ältere Menschen, sind bereits auf die Betrüger reingefallen. Die Tricks mit vermeintlichen Gewinnspielen nehmen auch in Hamburg ständig zu, bestätigt Julia Rehberg, Anwältin der Verbraucherzentrale Hamburg. Erst kürzlich hatte sie einen Fall, bei dem ein Rentner 1000 Euro überwiesen hatte, um an seinen Gewinn, ein Auto, zu kommen. Rehberg rät, vermeintlichen Gewinnschreiben keinen Glauben zu schenken. Kontonummern solle man in solchen Fällen nicht angeben. Auf der Internetseite der Verbraucherzentrale Hamburg ( www.vzhh.de ) können Betroffene eine Liste der größten "Abzocker" einsehen.

Den dreistesten Coup hat die 70-Jährige, die sich fast alle Anrufe mit Datum aufgeschrieben hat, in diesem Jahr erlebt. "Am 6. Juni meldete sich ein angeblicher Inkassoanwalt aus Berlin. Ich merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Denn auf dem Display meines Telefons erschien eine Nummer mit einer 02-Vorwahl." Sie ließ sich dennoch auf das Gespräch ein. "Der Anwalt mit dem Nachnamen Kurtz sagte, mit meinen persönlichen Daten sei Missbrauch getrieben worden, da sie verkauft worden seien. Deshalb hätte eine Person in Österreich für 800 Euro einen Gebrauchtwagen auf meinen Namen gekauft, weitere Kriminelle hätten Zeitschriften abonniert, sodass er bei mir jetzt 1000 Euro eintreiben müsse."

Zudem erzählte der Mann, ihr Telefon würde bereits seit sechs Monaten überwacht. Doch das beeindruckte die Frau nicht. Der angebliche Anwalt erzählte ihr, man könne sich schützen. Die Regierung in Berlin würde Betrugsopfern wie Charlott Friedrichsen helfen. Sie solle sich an den "Verbraucherschutz" in Krefeld wenden. Gegen eine Gebühr von 98 Euro würden künftige Anwaltskosten bis zu einem Betrag von 5000 Euro abgedeckt. Irgendwann kam der Anruf vom "Verbraucherschutz". "Ich sagte denen, dass ich mich wegen der versuchten Betrügereien an die Staatsanwaltschaft gewendet habe. Und falls Betrüger Geld von meinem Konto abbuchen, hole ich dieses mit einem Mausklick zurück."

Am 13. September bekam Charlott Friedrichsen einen weiteren Anruf mit süddeutscher Vorwahlnummer. "Ein angeblicher Verbraucherservice sagte, er habe einen Abbuchungsauftrag von meinem Konto vorliegen. Ich legte einfach auf." Zehn Minuten später war sie jedoch neugierig. "Ich wählte die Nummer auf dem Display nochmals an. Eine automatische Ansage belehrte mich, dass die betreffende Nummer nicht vergeben sei." Doch nicht nur Betrüger riefen an, sondern auch Firmen, die Produkte anboten, die man eigentlich nicht haben muss. Einmal sollte sie einen Anrufblocker für 69 Euro kaufen, ein anderes Mal bot das "Deutsche Anrufsicherheitssystem" ein Rufumleitungsgerät für 79 Euro an.

Die Hamburgerin war, zumindest am Anfang des Telefonterrors, oft genervt. "Ich fertige im Auftrag von Innenarchitekten und Fachhändlern Lampenschirme. Wenn ich gerade am Einfärben der Schirme war, riskierte ich bei jedem Anruf, mein Telefon mit Farbe zu beschmieren", sagt sie. Und überhaupt: "Wo bleibt denn der Datenschutz, wenn Adressen verkauft werden dürfen und praktisch jeder an persönliche Daten kommen kann?" Tatsächlich gibt es in Deutschland einen regen Adressenhandel. Vor allem wer an Preisrätseln oder Gewinnspielen teilnimmt, kann leicht zum Opfer von Betrügern werden.

Zuletzt wurde die Hamburgerin im August sechsmal von einer Berliner Telefonnummer angerufen. "Vodafone wollte mir einen Festnetzvertrag anbieten. Ich habe mich nicht darauf eingelassen." Das war gut so. Denn der Telekommunikationskonzern erklärte auf Anfrage des Abendblatts, dass diese Berliner Nummer nicht zu dem Unternehmen gehöre. Also handelte es sich wieder einmal um einen Betrugsversuch. Charlott Friedrichsen hat ihre gesammelten Unterlagen jetzt der Polizei und der Staatsanwaltschaft übergeben.