Die Hamburger Designerin Ulrike Krages über die Kunst des Einrichtens und wie sie nach schweren Verlusten immer wieder aufstand.

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, die Besonderes für diese Stadt leisten, die in Hamburg als Vorbilder gelten. Folge 62: Ulrike Krages. Sie bekam den roten Faden von Alexandra von Rehlingen.

Ulrike Krages kämpft hartnäckig für die Erfüllung ihrer Vision: mehr Ästhetik für alle, damit das Leben einfach schöner wird. Es gibt Geschäfte, die erzeugen schon aufgrund ihrer exponierten Lage so etwas wie Schwellenangst, und wer sich wie Ulrike Krages an der feinen Hansastraße, Ecke Hochallee, niederlässt, muss zwangsläufig damit rechnen, dass sich häufiger Kunden aus den sogenannten oberen Zehntausend hierher in den "Werkraum" verirren als Durchschnittsverdiener.

Es wirkt schon etwas komisch, wenn die Chefin seit Neuestem mit großen schwarzen Lettern auf pinkfarbener Folie weithin sichtbar verkündet: "Hier kauft Hamburg seine Küchen."

Die Chefin ist eine 51-Jährige, die locker als 39 durchgeht: dezent geschminkt, in einem schlichten, groß gepunkteten Seidenkleid, charmant lächelnd und sehr attraktiv; eine Frau, die nicht zuletzt deswegen auch ziemlich häufig in den Gesellschaftskolumnen abgebildet wird, immer mittenmang unter den Schönen, Wichtigen und Mächtigen der Hansestadt, statt nur dabei, denn sie genießt auch den Ruf einer "begnadeten Netzwerkerin". Unter den Fotos steht zumeist jedoch "die Stararchitektin" oder "die Stardesignerin", und beides, sagt Ulrike Krages, lese oder höre sie überhaupt nicht gern. Zum einen, weil sie ja überhaupt gar keine Architektin sei, sondern lediglich ein zehnköpfiges Team aus Architekten und Planern beschäftigen würde. Darüber hinaus habe sie mit dem Wort "Star" erhebliche Schwierigkeiten: "Das passt doch überhaupt nicht zu mir!"

So ist ihr Händedruck trocken und fest, wie es sich für jemanden gehört, der sich seit elf Jahren in der von Männern dominierten Geschäftswelt der Hochbauer durchsetzen muss. Ständig, sagt sie, finde dieser überflüssige Kampf zwischen den Geschlechtern statt, allerdings nur auf den Ämtern, während auf den Baustellen für gewöhnlich die entscheidungsfreudigen Praktiker agierten, mit denen sie sich hervorragend verstehe. So möchte man sich plötzlich für einen Moment bildlich vorstellen, wie sie in einer matschigen Baugrube steht, umringt von raubeinigen Maurern und Betonbauern, wobei ihre schlanken Beine in schlammverkrusteten Gummistiefeln stecken und nicht in eleganten Pumps.

Ulrike Krages kommt rasch auf den Punkt, der ihr wichtig ist, bestimmt sogar überlebenswichtig. "Es geht mir bei allem, was ich tue, um Ästhetik", sagt sie und meint damit nicht nur die Entwürfe ihrer Familienhäuser, bei deren Planung sie besonderes Augenmerk auf die alltäglichen Abläufe gelegt hat - und deshalb von vorne herein Rückzugsmöglichkeiten für die Bewohner konzipiert hat. Oder eine gelungene Anordnung von ebenso wunderschönen wie vielleicht auch vollkommen unpraktischen Wohnaccessoires inmitten einer Sitzgruppe vor breit gestreiften, schwarz-weißen Tapeten. Oder das mit fein gegerbter, gold schimmernder Rochenhaut überzogene Besteckschubladenelement in einer ansonsten strahlend weißen, hochglanzlackierten übermannshohen Küchenfront. "Ästhetik übt eine schützende und oftmals sogar heilende Wirkung aus. Das geht jedoch weit übers Einrichten hinaus. Denn Ästhetik kann auch im zwischenmenschlichen Bereich äußerst hilfreich sein, da sie Harmonie erzeugt ... und Frieden."

So propagiert Ulrike Krages ausgerechnet mit dem Slogan: "Zurück an den Herd!" die labende Wirkungsweise ihrer handgefertigten Modulküchen auf die Seele; diese praktischen, zeitlos schönen, aufs Wesentliche reduzierten Kommunikationszentralen für Menschen, die dann auch noch so ganz nebenbei kochen, essen und trinken können und sollen. Darüber hinaus betreiben Ulrike Krages und ihre "UK-Gruppe Projektentwicklungen, die Planung und den Bau von Wohn- und Gewerbeimmobilien, das Design und den Vertrieb von Möbeln sowie - neuerdings - eines Wandbelags aus speziell eingefärbtem Glas, das unter dem Handelsnamen Powderglas firmiert.

"In diesen Zeiten ist es einfach notwendig, sich breiter aufzustellen", sagt Ulrike Krages, während sie ein ziemlich ästhetisch anmutendes Frühstück serviert, um sogleich zu ihrem Lieblingsthema zurückzukehren. ",Zurück an den Herd!' klingt sicherlich etwas altbacken", sagt Ulrike Krages und lächelt, "aber meine Aufforderung richtet sich schon an die Frauen! Sie sollten den Männern nicht auch noch diese Domäne überlassen... " Und im nächsten Satz gibt sie zu, dass sie ihren 18-jährigen Sohn und ihre 16-jährige Tochter nach dem klassischen Rollenmuster (allein) erzieht. "Mein Sohn bringt den Müll raus und meine Tochter kann kochen. Na ja ... Aber wenn Sie sich umgucken, wächst überall das Bedürfnis nach dem Echten und Unverfälschten zum Anfassen, Riechen und Schmecken. Wir wollen endlich wieder mehr Zeit haben für uns selbst." Sie strahlt: "Im Kreis einer Familie oder von Freunden oder von Familie und Freunden ist das natürlich ein ganz besonderes Erlebnis." Auf die Frage, ob sie dann nicht vielleicht auch ein wenig harmoniebesoffen sei, antwortet Ulrike Krages mit einem klaren und eindeutigen Ja.

Ihre eigene Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit, Schönheit und innerer Balance, die sie in all ihre Arbeiten einfließen lässt, resultiert aus den hässlichen Seiten des Lebens, die sie zur Genüge kennenlernen musste. Die jüngste Tochter eines ostfriesischen Bauunternehmers weiß, wie es sich anfühlt, wenn man unten steht. Wenn man als Kind mit der Familie wegen der wirtschaftlichen Schieflage des elterlichen Unternehmens aus einem großen in ein viel kleineres Haus umziehen muss. Oder viel später, Anfang 2001, mit zwei kleinen Kindern beinahe mittellos dasteht, weil auch ihr Bremer Ehemann ein eher unglückliches Händchen fürs Geld besitzt und die vielen Millionen, die der größte Holzhandel Deutschlands für ihn abwirft, mit seiner exklusiven Leidenschaft, den Rennwagen, im wahrsten Sinne des Wortes an die Wand fährt. Bis er für sich selbst schließlich nur noch den tragischsten Ausweg sieht.

Sie erinnert sich nun an ihre ersten ernsthaften Einrichtungsexperimente, als sie mit neun Jahren ihrem Kinderzimmer ein knallrotes chinesisches Innenleben verleiht; ihr fallen die aufregenden drei Jahre als Dekorateurin im Circus Roncalli wieder ein, wo ihr der Direktor Bernhard Paul das kleine Einmaleins der Lichtstimmung nahebringt - und wie man quasi aus dem Nichts eine heimelige Wohlfühlatmosphäre inszenieren kann. Und eigentlich hat sie doch schon immer gewusst, dass sie mehr kann, als "nur" zu dekorieren und auszustatten. Sich auf sich selbst zu verlassen zum Beispiel, an sich selbst zu glauben und sich durchsetzen zu können, und so beschließt sie mutig, sich als selbstständige Designerin und "Architektin" in Hamburg zu etablieren, wo sie schließlich schon seit zehn Jahren - jedenfalls teilweise - wohnt.

"Ich musste vom ersten Augenblick an Geld verdienen", sagt sie, "das war manchmal sehr hart. Und wenn das Geschäft dann mal wieder nicht so lief und es für die Miete nicht reichte, musste ich mit den Kindern eben wieder umziehen..." Aber sie hat Glück, sie trägt ja nicht zuletzt einen bekannten Namen und kann darüber hinaus ihre Geschäftsidee, Konzept, Design, Inneneinrichtung und Hochbau im Full Service anbieten, gut verkaufen. Björn Dahler und Johnny Jahr, zum einen Immobilienexperten, zum anderen einflussreiche Multiplikatoren in der Hansestadt entdecken die Unternehmerin.

"Die beiden ließen mich einfach machen", erzählt Ulrike Krages, der mit der Gestaltung des Innenlebens der Stadthäuser auf dem Falkenried-Gelände schließlich der Durchbruch gelingt. Bis zur kompletten Gestaltung von Wladimir Klitschkos Hamburger Domizil und weiter zur Innenausstattung des Marco-Polo-Towers in der HafenCity sind es dann nur noch wenige Schritte.

Sie wird rasch zu einer gefragten Person des öffentlichen Lebens. Ihr Bekanntheitsgrad steigt rasant, und sie weiß jetzt endgültig, wie gut es sich anfühlt, wenn man nach schweren Verlusten aus eigener Kraft wieder aufsteht. "Auch ein guter Architekt sollte immer fest mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben und die archaischen Bedürfnisse der Menschen im Blick behalten", sagt sie, "wer sich also wie beim Tower einer kühlen, futuristischen Designsprache bedient, muss dann auch unbedingt Naturmaterialien verwenden, um für eine gesunde Umgebung zu sorgen." Dies sei der simple Grund für das viele edle Holz, das sie in Deutschlands teuerster Immobilie verbauen lässt. Aber die vielen prominenten Namen, die sich in ihrer Kundenkartei finden lassen, und ihre publicityträchtigen Partys, zu denen sie die Jeunesse dorée der Hansestadt von Zeit zu Zeit einlädt, sind ebenfalls der Grund für die Schwellenangst der Normalbürger, zu denen sie sich jedoch nicht nur unbedingt hinzuzählen will, sondern zu denen sie sich aus tiefster Seele dazugehörig fühlt. Wenn sie sich beim Spagat zwischen Mutter und Unternehmerin eher für ihre Kinder entscheidet und Geschäftstermine verschiebt. Wenn sie in zerschlissenen Jeans, speckiger Lederjacke und Turnschuhen regelmäßig zu den Heimspielen des FC St. Pauli tigert, auch wenn es regnet, und nach dem Spiel durch die Klubszene auf dem Kiez stromert und dabei am liebsten Wodka trinkt. Wie ein Mann. Dann lebt Ulrike Krages ihren Designerstil aus, den sie als "moderne Klassik" bezeichnet: "Ich mische am liebsten Elemente, die auf den ersten Blick nicht zueinander passen. Denn Harmonie braucht Spannung, und Unangepasstheit bereitet mir nun mal mehr Vergnügen."

Sie könnte sich durchaus vorstellen, regulierend in die ihrer Meinung nach dringend notwendige Restaurierung des Milieus korrigierend einzugreifen. Doch jetzt hat sie erst einmal den Sozialbau ins Visier genommen. Einen Slogan für dieses Projekt hat sie schon im Kopf: "Demokratisierung des Luxus" laute der, "aber mal ganz im Ernst", sagt sie, "die Architektur des sozialen Wohnungsbaus gehört doch mindestens stark überarbeitet! Wie sollen denn Familien in diesen kranken, hässlichen Bauten gesunden?" Und dafür müsse man nicht einmal mehr Geld als geplant oder vorhanden in die Hand nehmen, sondern bloß anders denken. Ulrike Krages fordert diesbezüglich ein stärkeres Engagement der Stadtentwicklungsbehörde.

Leider sei jedoch ihr Verhältnis zum Oberbaudirektor Jörn Walter etwas angespannt, da er ihre Stadthäuser am Harvestehuder Weg offensichtlich ziemlich scheußlich findet. Aber so leicht lasse sie sich nicht unterkriegen, meint sie treuherzig, sie werde bald mal wieder mit Jörn Walter reden, und es fällt nicht schwer zu glauben, dass ihr auch diese Projektidee gelingen könnte.

Ulrike Krages reicht den roten Faden am kommenden Sonnabend weiter an Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, "weil er ein zeitgemäß und differenziert denkender Mensch ist, der keiner Frage zum Glauben aus dem Weg geht".