Das Quartier direkt an der Elbe gehört nicht zu den beliebtesten Hamburgs -zu Unrecht. Hier dürfen manche sogar dienstlich Fußball gucken.

Zentrale Lage und trotzdem im Grünen. So oder so ähnlich beginnen viele Wohnungsangebote für diesen Stadtteil. Ein paar Zeilen weiter folgt ein Mietpreis, der den Leser fast schon zwingt, von einer Mogelpackung auszugehen. Aber dann kommt die Erklärung: Rothenburgsort. Das Quartier direkt an der Elbe gehört nicht gerade zu den beliebtesten Hamburgs - zu Unrecht.

Das Stadtteilzentrum "Die RothenBurg" spiegelt das Leben hier gut wider. Im großen Saal sitzen gut 20 Damen - Charmeure würden sagen, im besten Alter - in einem Stuhlkreis und heben abwechselnd das linke und das rechte Bein. Seniorengymnastik nennt sich das. Ein paar Räume weiter findet gerade der Deutschkurs "B2 für den Beruf" statt. Etwa ein Dutzend junge Leute mit Migrationshintergrund korrigiert Bewerbungen und kämpft mit Wörtern wie "Rationalisierung" und "qualifikationsbedingte Kündigung". Im Spielzimmer nebenan beaufsichtigt eine junge Frau die Kinder, die noch zu jung für die Kita sind. "Sonst könnten viele gar nicht zum Kurs gehen", sagt sie.

Frühstück bei der Türkischen Gemeinde

Seit 2008 gibt es die RothenBurg am Billhorner Röhrendamm. Das Angebot reicht von Sozialberatung über eine Holzwerkstatt bis hin zur Hip-Hop-Tanzgruppe. Das Zentrum ist ein Gemeinschaftsprojekt. Ursprünglich gehörten die Räume der Kirchengemeinde St. Thomas, für die das Gebäude aber zu groß wurde. Parallel zu dieser Entwicklung planten engagierte Rothenburgsorter schon seit Jahren ein Stadtteilzentrum - lange ohne Erfolg. "2007 haben sich die Kräfte dann gebündelt", sagt Marion Hartung, Vorsitzende des Trägervereins.

Die 50-Jährige in lindgrünem Jackett und rosa T-Shirt steht in dem hellblau gestrichenen ehemaligen Gemeindesaal und erzählt mit stolzem Ton davon, wie Deckel und Topf zusammenfanden. Der Verein bezog das untere Stockwerk des Gebäudes, der Bezirk Mitte übernahm vorerst bis Ende 2013 die Miete, und die evangelische Gemeinde ließ das Mobiliar in den Räumen. Nach wenigen Monaten kam die Türkische Gemeinde als Untermieter hinzu. Von der Miete können Angebote wie die Sozialberatung finanziert werden. "Allein wäre das alles nicht möglich", sagt Hartung, die als Studentin in den Stadtteil zog und dann "hängen blieb". "Die Summe ist einfach mehr als die Teile." Und die Teile wachsen zusammen. So besuchen einige Rentnerinnen aus der Gymnastikgruppe mittlerweile das Internationale Frauenfrühstück, das die Türkische Gemeinde regelmäßig ausrichtet.

Nur drei Stationen bis zur Uni

Schräg gegenüber der RothenBurg liegt ein weiteres Stadtteilzentrum. Und offenbar hat es hier Tradition, dass der Weg zu neuen Treffpunkten im Quartier lang ist. Im Frühling 2012 wurde nach vier Jahren Planung und zwei Jahren Bauzeit der neu gestaltete Rothenburgsorter Marktplatz eingeweiht. Etwa 20 Geschäfte sind in den u-förmigen Bau eingezogen, zudem fünf Arztpraxen. Außerdem sind ein Seniorenheim und Privatwohnungen untergebracht. Zweimal pro Woche ist Markt. 35 Millionen Euro hat der Investor in das neue Zentrum gesteckt. Die Anwohner freuen sich über den neuen Marktplatz, kritisieren aber hinter vorgehaltener Hand, dass die Wohnungen in den oberen Stockwerken "für die Verhältnisse hier" doch zu teuer seien. Aber schließlich soll der Stadtteil sich wandeln.

"Es wird sich hier was tun", sagt Horst Oldag, 80, vom Bürgerverein. "Wir haben doch eine super Anbindung." Die Autobahn liegt kaum fünf Minuten entfernt. Zwei S-Bahn-Stationen sind es von hier bis zum Hauptbahnhof, drei bis zur Uni, vier bis zur Sternschanze. "Es müssen wieder junge Leute herkommen", sagt Oldag und deutet mit dem Kopf in Richtung HafenCity. "Da sind wir ja ganz nah dran. Wenn dann noch die U 4 bis zu den Elbbrücken kommt, kommen auch die Leute. In 25 Jahren wird man das hier kaum wiedererkennen."

Momentan herrscht aber noch eine ganz andere Realität. "Es mangelt einfach an Ausgehmöglichkeiten", sagt Oldag. Deshalb zieht es viele Junge für ein Bier oder Galao in die per Bahn schnell erreichbare Schanze. Geht es um kulinarische Genüsse, werden selbst die überzeugtesten Rothenburgsorter ihrem Stadtteil untreu. Dann geht es mit dem Fahrrad auf dem Radweg in Richtung Moorfleet in die Gaststätte Zur Elbbrücke. "Da gibt es richtig große Portionen Sauerfleisch und gutes Pils", schwärmen Kenner.

Statt Ente gibt's Würstchen

Bei südländischeren Ambitionen geht es zu Andronaco. Der italienische Großhandel mit angeschlossenem Bistro liegt zwar kartografisch in Billbrook. "Aber gefühlt ist das Bistro noch in Rothenburgsort", sagen Pasta-Fans. Wirklich innerhalb der Grenzen des Quartiers liegt hingegen das Entenwerder Fährhaus. Dort gibt es zwar keinen Entenbraten, dafür Würstchen mit Kartoffelsalat. Die genießt man dann mit schönem Blick auf die Elbe.

Überhaupt spielt Wasser im Viertel eine große Rolle. "Schließlich hat Hamburgs Wasserversorgung hier ihren Ursprung", sagt Matthias Sobottka, Sprecher von Hamburg Wasser. Ein alter, nur noch von Falken genutzter Wasserturm zeugt von dieser Zeit und ist mittlerweile zu einer Art Wahrzeichen für den Stadtteil geworden. Heute sind auf dem Gelände ein Wasserwerk, ein Pumpwerk, die Schaltwarte, das Wasserlabor und die Ausstellung WasserForum - ein Pflichtprogramm für jeden Hamburger Schüler - untergebracht. "Wir pumpen von hier aus das Wasser bis in die Innenstadt", sagt Sobottka.

Ums Wasser dreht sich vieles

Und ist mal wieder Fußball-EM oder -WM, spielt Rothenburgsort ebenfalls eine Schlüsselrolle. Denn sobald der Schiedsrichter zur Halbzeit pfeift, muss in der Schaltwarte dafür gesorgt werden, dass mehr Wasser zum Verbraucher kommt, vor allem für die WC-Spülungen. "Die Kollegen schauen dann dienstlich Fußball." Aber auch an der Gestaltung des Quartiers beteiligt sich das Unternehmen aktiv. So hat es die ehemalige Filtrationsanlage Kaltehofe restauriert und unter dem Motto "Wasserkunst" der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. "Das Naherholungsgebiet war für uns eine gute Möglichkeit, den Leuten Natur, Kunst und Informationen über die Wasserwirtschaft zu bieten", sagt Sobottka.

In der nächsten Folge am 29.9.: Hummelsbüttel