Oder: Als die Sintiza einen Rom heiratete. Der Schritt vom Singular zum Plural kann im Irrgarten der Grammatik enden

"Wenn du die Spaghettis nicht isst, bekommst du gar nichts!", schimpfte die Mutter mit ihrem Sprössling, der sich auf dem Heimweg von der Schule mit mehreren Schokoriegeln, einem Softeisbecher und einer Tüte "Pommes" aus dem schmuddeligen Würstchenwagen an der Ecke bereits gründlich den Appetit verdorben hatte. Wir wollen an dieser Stelle jedoch weder untersuchen, warum die deutschen Kinder bei solchen erlaubten und unerlaubten Fast-Food- und Kalorienbomben immer dicker werden, noch wollen wir Mutters Kochkunst in Zweifel ziehen. Uns geht es ausschließlich um die Grammatik.

Ohne Mutter nun allzu nahe zu treten, müssen wir anmerken, dass sie sich im Plural, bei der Bildung der Mehrzahl, verheddert hat. Spaghetti ist bereits Mehrzahl, und ein zusätzliches Plural-s wäre zu gut gemeint. Der Singular (Einzahl) heißt nämlich Spaghetto (ital. "Schnürchen"), was angesichts des Gewimmels von "langen, dünnen, stäbchenförmigen Teigwaren" (Fremdwörterbuch) auf dem Teller allerdings etwas singulär klingen und nicht satt machen würde. Hamburg, und leider nicht nur Hamburg, wird nicht durch immer mehr "Graffitis" verunstaltet, sondern durch Graffiti , wie sie im Plural genannt werden. Ein Einzelstück dieser Schmierereien wäre ein Graffito .

Auch bei anderen Fremdwörtern muss man aufpassen, um sich nicht im Irrgarten der Flexion zu verlaufen: das Visum/die Visa, der Modus/die Modi, das Material/die Materialien, das Nomen/die Nomina, das Komma/die Kommata, der Atlas/die Atlanten oder der Index/die Indizes. Im Zeichen der Finanzkrise sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Pleitebanker nicht nur einen Bonus, sondern sogar mehrere Boni im Jahr bekommen können.

Die unvergessene Alexandra, deren tiefe, rauchige Stimme mir immer noch ein Kribbeln über den Rücken laufen lässt, durfte ungestraft vom "Zigeunerjungen" singen. Heute wird es nicht nur ethnisch, sondern auch grammatisch überaus kompliziert, wenn wir die Sinti und Roma , wie wir diese Volksgruppen politisch korrekt nennen sollen, sprachlich in ihre Einzelteile zerlegen wollen. Oder "Sintis und Romas"? Nein, auch hier wäre ein Plural-s falsch. Ein Einzelner der Sinti, der in Deutschland heimischen Gruppen, ist ein Sinto, aber nur, wenn es sich um einen Mann handelt. Ein weibliches Mitglied heißt Sintiza, die wiederum, wenn eine Sintiza und noch eine Sintiza zusammen auftreten, im Plural zwei Sintizas sind.

Die Roma, die ursprünglich osteuropäischen Gruppen, unterteilen sich im Singular in den männlichen Rom und die weibliche Romni, die einen eigenen Plural hat, der aber ebenfalls Romni lautet: eine Romni, zwei Romni. Lernt eine feurige Sintiza also einen jungen Rom kennen, bilden die beiden zusammen ein Sintiza-und-Rom-Paar.

Natürlich reden wir nicht mehr von Zigeunern, obwohl damals das Sortieren nach Stichwörtern einfacher war. Beim Sprechen müssen wir aufpassen: Der männliche Rom hat ein kurzes "o", das "ewige Rom" jedoch ein langes. Während im Englischen und Französischen der Plural, von wenigen Sonderfällen abgesehen, durch einfaches Anhängen eines "-s" an den Singular gebildet wird (the house/the houses bzw. la maison/les maisons), haben wir es im Deutschen mit einem Dutzend unterschiedlicher Pluralformen zu tun, wobei Lehn-, Fremd- und Fachwörter noch nicht einmal mitgezählt sind.

Teilweise erscheint der Stammvokal umgelautet (der Boden/die Böden), und ab und zu reicht der Umlaut allein nicht aus, um die Mehrzahl zu verdeutlichen, sodass noch die Endung "-er" zu Hilfe genommen werden muss (das Bad/die Bäder). Manchmal begnügt man sich mit einem einfachen "-e" (der Berg/die Berge), mit einem "-en" (die Bahn/die Bahnen) oder einem "-ten" (der Bau/die Bauten).

Noch verzwickter wird es, wenn wir es mit doppelten Pluralformen mit jeweils unterschiedlicher Bedeutung zu tun haben - zum Beispiel die Mutter/die Mütter (Elternteile) bzw. die Muttern (Schraubenteile) oder auch der Strauß/die Strauße (Vögel) bzw. die Sträuße (Blumen).

Unser Deutsch ist eine reiche, für Jean Paul sogar die Orgel unter den Sprachen. Ausländer denken da anders. Mark Twain kam zu dem bitteren Fazit: "Die schreckliche deutsche Sprache!"