Nach jahrelanger Flaute werden wieder mehr Maschinen verkauft. Europäische Marken laufen den Japanern den Rang ab.

Hamburg. Die Werkstatt im Keller, die Motorräder in Hochparterre und eine Treppe höher Helme, Sicherheitsbekleidung und Accessoires von der Badehose bis zur Babysocke. Jeden Winkel in ihrem Geschäft am Nedderfeld haben Dietrich Rudolph und Sascha Marmull ausgenutzt. Denn seit sie sich 2003 gemeinsam mit ihrem Motorradhandel für Ducati in Hamburg selbstständig gemacht haben, gibt es bei ihnen nur einen Trend: aufwärts. "Wir haben mit einem Umsatz von 1,3 Millionen Euro begonnen, inzwischen sind es knapp drei Millionen Euro", rechnet Rudolph vor. Ihre Belegschaft stockten sie von einem auf sieben Mitarbeiter auf. Jetzt gehen pro Jahr 140 Maschinen der italienischen Marke vom Hof.

Während es bei Rudolph und Marmull seit Jahren gut läuft, zieht es auch bei den Konkurrenten jetzt wieder an. Denn nach neun Jahren mit sinkenden oder bestenfalls stagnierenden Verkäufen wurden 2011 erstmals wieder mehr Motorräder verkauft. Die Zahl der Maschinen mit mehr als 50 Kubikzentimetern stieg von 122 000 auf gut 127 000, wie der Industrie-Verband Motorrad (IVM) errechnet hat, der fast alle Hersteller und Importeure in Deutschland vertritt. Und der Trend soll in diesem Jahr anhalten. "Im August wurde gut verkauft, die ersten Daten aus dem September sind ebenfalls positiv", sagt Verbandssprecher Achim Marten. Würden auch im Spätherbst noch gut Maschinen abgesetzt, wäre wieder ein Plus von vier Prozent möglich. Auch künftig mangelt es nicht an neuen Modellen. So soll es laut IVM bei der Kölner Leitmesse Intermot Anfang Oktober mehr Weltpremieren geben als je zuvor.

Die Marke Ducati profitiert jedoch von einem weiteren Trend, der sich immer mehr festigt. "Europäische Marken und Harley-Davidson aus den USA rücken gegenüber japanischen Modellen in den Vordergrund", weiß Marten. Dabei gilt Ducati mit ihrer einzigartigen Ventilsteuerung und dem vergleichsweise geringen Gewicht nicht als günstig. Die Preise für die kleinste Maschine beginnen bei 9000 Euro und übertreffen damit sogar den Einstiegspreis bei BMW. Für die teuerste Ducati sind gar 28 500 Euro fällig. "Doch Modelle, die nicht jeder fährt, gehen derzeit besonders gut", sagt Marmull. "Und kaum jemand, der einmal bei uns gekauft hat, wandert wieder ab."

Das steigende Interesse an den Feuerstühlen aus Europa und den USA hat mehrere Ursachen. So haben die Europäer den technischen Vorsprung der Japaner aufgeholt und profitieren vom gestiegenen Kurs des Yen, der die traditionell günstigeren japanischen Maschinen teurer macht. "Die Preisdifferenz ist von bis zu 100 vor 15 Jahren auf noch etwa 20 Prozent geschrumpft", sagt Zweiradmeister Rudolph. Dazu kommt, dass sich mit Motorrädern aus Europa oftmals ein höherer Wiederverkaufswert erzielen lässt.

Zwar ist Honda noch Weltmarktführer bei den Zulassungen. Doch in Deutschland belegen die Japaner in den ersten acht Monaten des Jahres mit knapp 13 Prozent der Zulassungen nur Platz zwei hinter BMW. In Hamburg schneiden die Bayern und Harley mit jeweils 17 Prozent Marktanteil sogar um jeweils fünf Prozentpunkte besser ab als die führende Marke aus dem Land der aufgehenden Sonne.

"Unsere führende Position in Hamburg haben wir erst vor einigen Monaten erobert", sagt Jochen Ernsting, der Leiter des BMW-Motorradzentrums, nur einen Steinwurf von Ducati entfernt. Ein Grund dafür sei, dass die inzwischen ohne Ausnahme serienmäßig mit Antiblockiersystem (ABS) ausgestatteten Modelle nun auch mit ihrem Design punkten. Als ein Highlight kommt mit der S 1000 RR eines der weltweit stärksten und leichtesten Serienmotorräder aus München: ein knapp 200 Kilogramm leichter und 193 PS starker Supersportler. "Insgesamt können wir uns vorstellen, unseren Marktanteil in Hamburg auf mehr als 20 Prozent auszubauen", sagt Ernsting. Exklusivität bleibt für BMW wichtig. "Wir wollen den Markt nicht überfluten."

Für die Kultmarke, die den Bayern an der Elbe im Nacken sitzt, spielt dagegen Geschwindigkeit keine entscheidende Rolle. "Wer Harley fährt, entscheidet emotional. Die Modelle sollen gut aussehen, bequem sein, und der Fahrer muss den Motor spüren", beschreibt Volker Stan, Prokurist bei Harley-Davidson Hamburg-Nord die Motive seiner Kunden.

Bei Honda dagegen läuft es nicht so rund. "Bei uns ist in den vergangenen drei Jahren der Verkauf von neuen Motorrädern von bis zu 300 auf 150 bis 200 zurückgegangen", sagt Sebastian Harke, Junior-Chef bei Honda Harke in Hamburg. "Wir haben gute Modelle mit guter Qualität, aber die Vermarktung ist zum Teil problematisch", kritisiert der Händler. So würden die Japaner bei zu geringen Verkaufszahlen rasch die Preise senken und damit Kunden verunsichern, die sich zuvor für eine Honda entschieden hätten. Harke setzt nun auf ein großes Angebot an Gebrauchtmaschinen, nach denen er auch international suchen lässt: "Diese Verkäufe haben wir in drei Jahren von 150 auf 300 verdoppelt."

Klar scheint: Je mehr Motorradfahrer ihre Fahrten als Hobby sehen, umso mehr rückt der Preis bei einem Kauf in den Hintergrund. Schließlich beginnen die Listen bei BMW erst bei 7300, bei Harley-Davidson bei 8500 Euro. "Gerade in Metropolen wie Hamburg ist viel Geld in Umlauf", sagt BMW-Experte Ernsting. Der Gang zum Motorradhändler dürfte zudem gut situierten Kunden leichter fallen, seitdem mit Geldanlagen kaum noch etwas zu verdienen ist. "Wenn es schon kaum Zinsen gibt, wollen die wenigstens Spaß haben." Ducati kann künftig noch einen besonderen Trumpf ausspielen. Denn die Italiener haben seit wenigen Monaten einen neuen Besitzer, den Autobauer Audi. Zwar waren die Ingolstädter noch nicht in der Hansestadt, um ihre Vorstellungen zu präsentieren. Die beiden Hamburger Ducati-Geschäftsführer hoffen aber vor allem auf einen Schub bei der computergesteuerten Kundenpflege. "Audi hat seine Kommunikation mit den Käufern weltweit aufgestellt und ist uns sicher voraus", glaubt Rudolph und setzt auf weiteres Wachstum. "Langfristig brauchen wir dafür aber einen neuen Standort und eine größere Belegschaft."