Ein Kommentar von Jan Haarmeyer

"Der Zirkus ist der einzige Ort auf der Welt, an dem man mit geöffneten Augen träumen kann", wusste der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway. Fliegende Artisten und Messerwerfer, Feuerschlucker und Jongleure, bunte Clowns und mutige Dompteure, dazu der Geruch von Sägespänen und exotischen Tieren - all das begeistert die Menschen weltweit seit mehr als einem Jahrhundert.

Zirkus, das ist das Theater des Volkes, in dem sich die Menschen für ein paar Stunden verzaubern lassen, um abzutauchen in eine farbenprächtige Welt voller Lachen und Musik.

Seit jeher gehört auch das akrobatische Zusammenspiel von Mensch und Tier zum Spektakel in der Manege. Aus der Dressur von gefährlichen Löwen und Leoparden, Tigern und Bären zieht der Zirkus einen Großteil seiner Faszination. Wenn sich schwergewichtige Elefanten als gelenkige Dickhäuter präsentieren oder putzige Seelöwen als flotte Stepptänzer, ist dem Dompteur der Beifall gewiss.

Auf dem Heiligengeistfeld haben sich gestern engagierte Tierschützer in Elefantenkostüme gezwängt und vor dem Zirkus Charles Knie mit Bällen jongliert. Sie protestieren gegen die Wildtierhaltung im reisenden Zirkus. Die verkleideten Aktivisten sprechen von Tierquälerei, wenn exotische Tiere wie Elefanten, Zebras oder auch Seehunde durch lange Transporte in engen Unterkünften und häufige Ortswechsel gestresst werden. "Ich bin auch ein Tierschützer", sagt Zirkusdirektor Sascha Melnjak. Er will gerade den Kindern die exotischen Tiere näherbringen. "Denn nur das, was man kennt, kann man auch schützen."

Beide Positionen sind so richtig wie unvereinbar. Am Ende wird der Zuschauer entscheiden, ob in zehn Jahren noch Elefanten durch die Manege laufen. Oder ob das Zirkuszelt auch ohne exotische Tiere ein Ort zum Träumen mit geöffneten Augen sein kann.