Es gibt einen Geschlechterkampf in der Grammatik. Benötigen wir eine Frauenquote für die deutsche Sprache?

Das Substantiv Geschlecht kommt von schlagen und bedeutet eigentlich dasjenige, was in dieselbe Richtung schlägt. Wir gebrauchen noch heute die Wendungen "aus der Art schlagen" oder "nach dem Vater schlagen". Ein Mädchen hat gleich zwei Geschlechter, ein natürliches, das es als weibliches Wesen ausweist, und ein grammatisches, sein Genus, bei dem wir es als Neutrum, als sächlich, einordnen müssen.

Immer wieder stößt man auf die Verwirrung der Genera: Das Mädchen weint. "Sie" läuft zur Mutter. Nein, es läuft zur Mutter! Nach der Pubertät kann ein Mädchen als der Teenager oder früher als der Backfisch sogar männlich werden, eine Bemerkung, die ausschließlich sprachwissenschaftlich zu verstehen ist.

Der Mann ist männlich, maskulin, die Frau ist weiblich, feminin, und das Kind ist keines von beiden, ist sächlich, neutral. Nicht einfacher wird die Angelegenheit durch Wörter, die bei gleichbleibender Bedeutung bigeschlechtlich sind, die also wahlweise zwei Artikel (Geschlechtswörter) haben: der oder das Virus, der oder die Abscheu, die oder das Aerobic.

Noch schlimmer kommt es für Ausländer und selbst für Deutsche, wenn sie es mit Homonymen zu tun haben, mit gleichlautenden Wörtern, bei denen ein anderes Geschlecht eine andere Bedeutung nach sich zieht. So stammt das Schild (Hinweisschild) vom Maler, der Schild (Schutzschild) aber vom Ritter. Dementsprechend handelt es sich bei der Raumfähre auch um einen Hitzeschild und bei den Hockeyspielern um einen Silberschild.

Das Gleiche gilt etwa für das Gehalt (Bezahlung) oder der Gehalt (Inhalt, Wert), das Verdienst (Leistung) oder der Verdienst (Einkommen), das Ekel (Widerling) oder der Ekel (Abscheu). Wir finden sogar Wörter mit drei Artikeln und drei Bedeutungen: das Band (Bindung), der Band (Buch) und die Band (Musikgruppe).

Bei den Substantiven mit nur einem Artikel liegt das weibliche Geschlecht weit vorn. 46 Prozent sind feminin (die), 34 Prozent maskulin (der) und nur 20 Prozent neutral (das). Diese grammatische Dominanz des Weiblichen reicht den wahren Feministinnen jedoch nicht aus. Sie würden am liebsten dem patriarchalischen Ursprung der Sprache zwangsweise eine Frauenquote überstülpen.

Dieses sogenannte Suffragetten-Deutsch reduziert manchen Artikel auf den Geschlechterkampf der Wörter und verpasst den meisten Ansprachen eine nicht enden wollende Anrede. Begrüßte früher ein Ministerpräsident in Kiel stammverwandt seine Wähler übergeschlechtlich als "Liebe Schleswig-Holsteiner", so muss er heute seine lieben "Wähler innen und Wähler" bei den "Schleswig-Holsteiner innen und Schleswig-Holsteinern" suchen, wobei er Glück hat, dass er nicht die 3000 "Hanerau-Hademarscher innen und Hanerau-Hademarscher" anreden muss.

Eine Hospitantin schrieb kürzlich in vorauseilendem Gehorsam: "Hamburg hat 1,8 Millionen Einwohner innen und Einwohner." Wenn wir sie nicht gestoppt hätten, hätte sie wahrscheinlich im Zuge der emanzipatorischen Symmetrie dem Sündenbock eine Sündenziege , dem Hampelmann eine Hampelfrau und dem Führerschein einen Führer innen schein beigeordnet.

Wolf Schneider, der Altmeister der Sprachkritik, sagt zu den Feminist innen und Feministen: "Ihr habt den Bogen überspannt. Die Sprache wird die Frauen nicht retten, lassen wir's doch nicht so weit kommen, dass wir die Sprache vor den Frauen retten müssen."

Ich habe da noch eine kleine Anmerkung zum Wort Brautpaar . Durch die ausschließliche Nennung des weiblichen Teils der Brautleute fühle ich mich als Mann stilistisch diskriminiert. Schließlich darf niemand wegen seines Geschlechts bevorzugt oder benachteiligt werden, auch kein Mann. Zu einem Brautpaar gehört, jedenfalls in der klassischen Zusammensetzung, der Bräutigam. Ich beantrage, das Brautpaar sofort in Braut-und-Bräutigam-Paar umzubenennen.

Solche Bandwurmwörter machen zunehmend auch ideologisch gefestigten Damen beim Tippen einige Mühe. Sie komprimieren daher. Statt einen "Leser-und-Leser innen brief" schreiben sie einen LeserInnenbrief mit Binnen-Versal. Das ist kürzer, bringt unsere Sprache aber an den Rand der Komik.