Manager baut in Hamburg Deutschlands führende Charterreederei Blue Star Holding auf. Die Schifffahrt steht in der Defensive wie lange nicht.

Hamburg. Wenn man mit Hermann Klein über die Schifffahrt spricht, erscheint deren weltumspannende Krise gleichviel weniger bedrohlich, in gewisser Weise fast schon beflügelnd. Der Vorstandsvorsitzende der neuen Hamburger Großreederei Blue Star Holding steht auf der Terrasse des Firmengebäudes an den Hohen Bleichen und blickt über die Innenstadt von Hamburg: "Diese Aufgabe in der aktuellen Lage der Branche zu übernehmen, macht mir sehr viel Spaß. Absolut."

Klein, 55, wirkt so tatendurstig und selbstbewusst, wie man ihn in der deutschen und internationalen Schifffahrt seit vielen Jahren kennt. Dabei steht die Schifffahrt in der Defensive wie lange nicht. Eine fundamentale Krise peinigt die maritime Wirtschaft mit Unterbrechungen bereits seit 2009. Es gibt derzeit zu viele Schiffe, zugleich aber ein zu geringes finanzielles Polster für die Branche, um diese Situation ohne größere Blessuren zu überstehen. Banken ziehen sich aus dem Geschäft zurück. Schiffsfonds gehen pleite, weil die vercharterten Frachter und Tanker zu wenig Geld einfahren. Klein verhehlt die Lage nicht: "Es werden deutsche Schifffahrtsunternehmen auf der Strecke bleiben. Von selbst wird sich die Branchenkrise nicht lösen - das verkennen erstaunlich viele deutsche Reedereien."

Die Blue Star Holding will mit Klein an der Spitze eine Antwort auf die Krise geben: durch Größe. Im vergangenen Jahr warb der Hamburger Reeder und Schiffsfinanzierer Erck Rickmers, Inhaber der Firmengruppe E.R. Capital Holding, für den Zusammenschluss deutscher Reedereien in einer Art genossenschaftlichem Verbund. Heraus kam dabei die Blue Star Holding. Rickmers' Reederei E.R. Schiffahrt schloss sich in diesem Sommer mit dem wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen Komrowski Befrachtungskontor und der zur Komrowski-Gruppe gehörenden Reederei Blue Star zusammen. Das neue Unternehmen steuert nun eine Flotte von 137 Handelsschiffen, darunter 108 vor allem größere Containerfrachter. Insgesamt zählt der Verbund 4500 Mitarbeiter an Land und auf See. Gemessen an der Tragfähigkeit von annähernd zehn Millionen Tonnen ist die Blue Star Holding die größte deutsche Reederei.

+++ Fusionen sind unvermeidlich +++

+++ Reedereien droht große Pleitewelle +++

Nützliche Effekte daraus erhofft sich das Management um Klein in vieler Hinsicht: bei der Wartung und dem Betrieb der Schiffe, beim Einkauf von Brennstoff und Ersatzteilen, bei der Disposition für die Reedereien, an die Blue Star seine Schiffe vermietet. "Wir haben Schiffe an alle zehn führenden Container-Liniendienste verchartert. Insofern sind wir mit dem Weltmarkt auf das Engste verbunden", sagt Klein. "Nach dem Zusammenschluss zur Blue Star Holding können wir uns viel stärker als zuvor auf die Wünsche unserer Kunden konzentrieren."

In der maritimen Wirtschaft ist Klein bestens vernetzt. Das kam ihm bei seiner Berufung zugute. Die Schifffahrt ist geprägt von Familienunternehmen und engen persönlichen Kontakten. Klein arbeitete für die Werften Lürssen und MWB und führte von 2003 bis 2010 als Co-Vorstand die Klassifizierungsgesellschaft Germanischer Lloyd (GL), Weltmarktführer bei der technischen Abnahme von Containerschiffen und einer der renommiertesten Dienstleister der Branche. Seit 2005 ist er zudem Vorstandsvorsitzender der Schiffbautechnischen Gesellschaft (STG) in Hamburg. 2011 wechselte er in den Aufsichtsrat des GL. Bald darauf fragte ihn Erck Rickmers, ob er eine neue Reederei in der Hansestadt aufbauen wolle.

Der promovierte Ingenieur brachte dafür genau die richtigen Kenntnisse und Kontakte mit. Beim Germanischen Lloyd hatte er Erfahrungen mit Zusammenschlüssen von Unternehmen gesammelt, etwa bei der Übernahme des britischen Offshore-Beratungsunternehmens Noble Denton im Jahr 2009.

Mindestens ebenso wichtig dürfte Kleins Wissen über den Bau und Betrieb effizienter Schiffe sein, das er auf den Werften und beim Germanischen Lloyd erworben hat. Wer fährt die sparsamsten Frachter und betreibt zugleich die leistungsfähigste Flotte? Diese Kriterien werden in den kommenden Jahren über das Schicksal vieler Reedereien entscheiden. "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in absehbarer Zeit wieder neue Schiffe bestellen. Wir müssen ja bereits jetzt über die Modernisierung und Zukunftsfähigkeit unserer Flotte nachdenken", sagt Klein. "Nur die Reedereien mit den modernsten Flotten und den effizientesten Schiffen werden am Markt bestehen."

Auf der Branche lastet großer Druck. Führende Institute wie die Commerzbank oder die HSH Nordbank ziehen sich ganz oder teilweise aus der Schiffsfinanzierung zurück, weil das Geschäft vielfach nicht mehr lukrativ genug erscheint, um die steigenden Anforderungen an Rendite und Eigenkapital zu erfüllen. Schiffsfonds gehen reihenweise pleite. Selbst ein sturmerprobter Veteran wie der Hamburger Charterreeder Claus-Peter Offen, der weltweit führende Anbieter von Containerschiffs-Tonnage, nennt die aktuelle Lage der Schifffahrt "katastrophal".

Auch Blue-Star-Chef Klein räumt ein, dass die Schifffahrt ihre eigene und die zeitgleiche Krise der Banken unterschätzt hat: "Als ich um die Jahreswende herum die Entscheidung getroffen habe, hierher zu kommen, waren das Ausmaß und die voraussichtliche Dauer der Schifffahrtskrise noch nicht in der heutigen Intensität zu sehen. Die Aussichten für die kommenden 18 bis 30 Monate sind keine guten", sagt er. "Vor allem für viele kleinere deutsche Reedereien dürfte es sehr schwer werden. Wir haben in Deutschland rund 400 Reedereien. Deren durchschnittliche Flottengröße liegt bei unter zehn Schiffen."

Kleins neuer Chef Erck Rickmers sorgte im August selbst für Aufsehen, als er sein Mandat als SPD-Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft überraschend niederlegte und seine noch junge politische Karriere vorerst beendete. Sogleich begannen Spekulationen darüber, wie schlecht es E.R. Schiffahrt und deren Schwesterunternehmen gehen müsse. "Angesichts der tiefen und anhaltenden Struktur- und Finanzierungskrise in der Schifffahrt werde ich mich künftig wieder auf meine Funktion als Aufsichtsrat meiner Unternehmensgruppe konzentrieren", erklärte der Hoffnungsträger der Hamburger SPD und ward seither öffentlich nicht mehr gesehen. Hermann Klein betont das Gute an Rickmers' Entscheidung: "Sein Rückzug aus der Politik ist für das Unternehmen in dieser Situation sicher ein Vorteil. Entscheidungen im Aufsichtsrat werden dadurch im Zweifel beschleunigt. An der Architektur und Struktur der Unternehmensführung bei der Blue Star Holding ändert sich aber nichts."

Die Kräfte bündeln, das ist das Konzept und das Ziel der neuen Großreederei. Weitere Partner seien in den Reihen der Blue Star Holding willkommen: "Aber das muss sowohl von der Unternehmensphilosophie als auch von der Flotte her passen", sagt Klein. "Wir konzentrieren uns auf große Schiffe."

Der Manager begreift die Krise als Ansporn: "Es geht darum, die Mitarbeiter deutlich über die kommenden 24 Monate hinaus zu motivieren. Gute Schiffe und Schifffahrtsunternehmen werden gebraucht. Die Weltbevölkerung und der Welthandel wachsen weiter." Mit bewährten Traditionen der maritimen Wirtschaft, Beharrlichkeit und Weitblick, will Klein das schwere Wetter in der Branche überstehen: "Meine Aufgabe hier", sagt er zum Abschied, "ist langfristig angelegt."