Die Nacht der Kirchen in Hamburg feiert mit 93.000 Besuchern neuen Rekord. Zu Besuch bei Gemeinden aus Ghana, Äthiopien und der Ukraine.

Hamburg. Es war ein stimmungsvoller, fröhlicher und besinnlicher Abend. Zur neunten Nacht der Kirchen öffneten am Sonnabend mehr als 130 Gemeinden die Portale ihrer Gotteshäuser und lockten mit einem bunten Programm etwa 93 000 Besucher an - ein Rekord, der die Erwartungen der Veranstalter weit übertroffen hat.

"Die Kirchen wollen an diesem Abend nicht nur ihre Türen, sondern auch die Herzen der Menschen öffnen", sagte Erzbischof Werner Thissen bei der Eröffnungsfeier am Mönckebergbrunnen, an der auch Bischöfin Kirsten Fehrs teilnahm. Hamburg sei eine offene Stadt für Gott und die Menschen - in vielen Ländern sei Religionsfreiheit jedoch keine Selbstverständlichkeit. "Wir wollen in dieser Nacht auf das schauen, was uns Christen eint, und nicht darauf, was die Konfessionen trennt", sagte St.-Katharinen-Hauptpastorin Ulrike Murmann.

Weil sich immer auch ausländische Gemeinden an der ökumenischen Imagekampagne beteiligen, bietet die Nacht der Kirchen durchaus exotische Eindrücke. Etwa im historischen Schröderstift in Eimsbüttel, das mit vereinzelt erleuchteten Fenstern verwunschen in der anbrechenden Dunkelheit liegt. Unter einer Kuppel liegt eine prachtvolle Kapelle mit Rundbögen und marmornen Wänden, die mit Reliefs und Ikonen geschmückt ist. Einst von den Kindern des Bankiers Johann Heinrich Schröder als Mausoleum für die Eltern angelegt, wird die Kapelle heute von orthodoxen Kopten sowie der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Gemeinde als Kirche genutzt. Die Äthiopier nennen sie "Kidanemiheret", Kirche der heiligen Maria. In dieser Nacht feiern sie das Meskel-Fest, das "Fest der Kreuzfindung", und haben hinter dem Stiftsgebäude ein Feuer entzündet. Während man sich auf verschlungenen Pfaden den Flammen nähert, hört man rhythmisches Trommeln und afrikanischen Gesang, überlagert von fröhlich-schrillen Frauenschreien.

+++ Wenn es die Masse macht +++

+++ Kirchentag XXS +++

Die Sängerinnen stehen in weißer Tracht neben einem Mann in einem bunten, bestickten Mantel. Es ist Diakon Yabibal Walle. Er hat ein prächtiges rotes Holzkreuz im Arm - über das, als symbolischer Schutz, ein Stoffschirm gehalten wird. "Im vierten Jahrhundert hat sich Kaiserin Helena im Heiligen Land auf die Suche nach dem verschollenen Kreuz gemacht, an dem Jesus gestorben ist", erzählt Mezgebu Kesella von der Tewahedo-Gemeinde. Auf den Rat eines weisen Mannes hin habe sie ein Feuer entzündet, dessen Rauch sich gekrümmt und auf die Stelle gewiesen habe, an der das Kreuz vergraben lag. Dieses Wunder wird in Äthiopien seit 1600 Jahren gefeiert, immer im September. "Das Meskel-Fest fällt zusammen mit dem Ende der Regenzeit und dem Anfang der Schule", sagt Kesella im Schein des Feuers, während die Frauen den nächsten Lobgesang anstimmen. Der Äthiopier hat diese Geschichte heute schon vielen erzählt - bereits nachmittags hatte die Gemeinde in einem Zelt vor der Kapelle zu Basar und afrikanischen Köstlichkeiten geladen.

Auch die ukrainisch-katholische Allerheiligenkirche in Hausbruch hat in dieser Nacht ihre Tore geöffnet. Schon nachmittags hat Pfarrer Stefan Vorotnjak Besuchergruppen durch die prächtige, mit Gold verzierten Ikonen ausgemalte Kirche geführt und ihnen die byzantinische Liturgie und Tradition erklärt. Sie wurde 1978 nach dem Prinzip der Dreiteilung erbaut: Vorraum, Kirchenschiff und Altarbereich. Hier lagern die heiligen Sakramente, nur der Klerus hat Zutritt. "Es ist schön, dass sich so viele Menschen für unsere Kirche interessieren", sagt Pfarrer Stefan, seit 1996 in der Gemeinde. Jetzt lauschen die Besucher den liturgischen Gesängen des Chors: sieben Frauen in bestickten Blusen und drei Männer. Sie singen mehrstimmig, wunderschön, doch auch ein bisschen schwermütig.

Ganz anders geht es in der Erlöserkirche Borgfelde zu. Hier ist die Heimat der African Christian Church, zu der sich rund 50 afrikanische Kirchengemeinden, meist aus Ghana, zusammengeschlossen haben. Heute wird hier die "African Song and Prayer Night" gefeiert - eine Nacht mit Gesang und Gebet. Aus der geöffneten Tür klingen Gospels. Drinnen haben sich die Besucher von den Bänken erhoben. Sie klatschen zur Musik von Eileen Hamlet. Die Sängerin ist Mitglied von His Kingdom United, einer Jugendorganisation, die sich 2008 aus verschiedenen afrikanischen Gemeinden gebildet hat. "Wir wollen Jugendlichen die Möglichkeit geben, ihre Talente zu zeigen", sagt Jeffrey Bediako Benjamite. Mitmachen könne auch, wer nicht zur Kirche gehöre - vielleicht fände er so ja Zugang zu Gott. In der Nacht der Kirchen hat das Projekt unter dem Motto "Hip-Hop meets Gospel" jedenfalls viele junge Besucher in die Kirche gelockt.