Der DAX ist seit Jahresanfang um 25 Prozent gestiegen. Hamburger Titel hinken nach. Unternehmen sehen dennoch Luft nach oben.

Hamburg. Die Euro-Krise hat in diesem Jahr neue, dramatische Höhepunkte erreicht - die Konjunktur hat sich eingetrübt, und dennoch ist der Ölpreis gestiegen. Zusammengenommen ist dies nicht gerade ein Umfeld, in dem man deutliche Gewinne am Aktienmarkt erwarten würde. Tatsächlich aber hat der Deutsche Aktienindex (DAX) seit Anfang Januar um rund 25 Prozent zugelegt.

Als "Erleichterungsrallye" bezeichnet Haspa-Chefvolkswirt Jochen Intelmann diese Entwicklung: "Das Misstrauen der Anleger wegen der Schuldenkrise hat von Monat zu Monat abgenommen." Besonders die Ursache der jüngsten kräftigen Kurssteigerungen liege auf der Hand, sagt Peter Reichel, Leiter Private Vermögensverwaltung der Berenberg Bank: "Die Europäische Zentralbank (EZB) hat signalisiert, dass sie kein Auseinanderbrechen der Währungsunion zulassen wird." EZB-Chef Mario Draghi hatte in der vergangenen Woche klargestellt, dass die Notenbank im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen von hoch verschuldeten Euro-Ländern kaufen wird, sofern sie bereit sind, unter den Rettungsschirm zu schlüpfen.

+++ Höhenflug mit Risiken +++

Doch schon in den zurückliegenden Monaten hätten die EZB und ihr US-amerikanisches Gegenstück, die Fed, nicht unwesentlich zu dem Aufschwung an der Börse beigetragen, erklärt Reichel: "Den Anstieg am Aktienmarkt haben wir zu einem großen Teil den Liquiditätsspritzen der Notenbanken zu verdanken." Mit Krediten von rund einer Billion Euro zu äußerst günstigen Zinsen hatte allein die EZB europäischen Banken unter die Arme gegriffen. Indirekt profitierten davon auch die Aktien.

Dabei zog der DAX allerdings wesentlich stärker an als etwa der Eurostoxx-50, der sich seit Jahresbeginn nur um elf Prozent festigte. Berenberg-Manager Reichel nennt eine Begründung dafür: "Internationale Investoren favorisieren deutsche Titel, weil die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Bundesrepublik im europäischen Vergleich relativ gut aussehen. Wir haben einen stabilen Binnenmarkt, und der Exportwirtschaft geht es gut."

Hamburger Aktienwerte konnten im bisherigen Jahresverlauf mit dem DAX allerdings zumeist ebenfalls nicht mithalten. So kletterte der Börsenindex Haspax, dem 24 Titel aus Hamburg und Norddeutschland angehören, im selben Zeitraum nur um rund 15 Prozent. Zwar verbesserte sich der Kurs von Hamburgs einzigem DAX-Titel Beiersdorf sogar um 28 Prozent, und die Anteilsscheine von Jungheinrich verteuerten sich sogar um 35 Prozent.

Aber etliche andere Werte aus der Hansestadt stehen offenbar nicht so sehr im Fokus internationaler Anleger. Und einige Titel entwickelten sich erheblich ungünstiger als der Gesamtmarkt. So notieren Fielmann-Aktien im Vergleich zum Jahresbeginn nahezu unverändert, während Papiere der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) um vier Prozent nachgaben und Aktien des Raffineriebetreibers H&R sogar um 20 Prozent absackten. Der Modeschmuckanbieter Bijou Brigitte musste einen Kursrückgang um etwa 23 Prozent hinnehmen.

Dagegen zogen verschiedene DAX-Schwergewichte den Index nach oben: Volkswagen-Vorzugsaktien legten um 27 Prozent zu, der Kurs des Versicherungskonzerns Allianz kletterte um28 Prozent und der des VersorgersRWE um 32 Prozent.

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Experten haben aber Zweifel, ob die Aufwärtsbewegung anhält. In Relation zu den für 2013 erwarteten Unternehmensgewinnen seien die aktuellen Kurse zwar nicht übertrieben hoch, sagt Haspa-Analyst Intelmann. Er verweist zudem darauf, dass viele Aktien derzeit Dividendenrenditen von drei bis vier Prozent bieten könnten - ein Niveau, das von Anleihen mit guter Bonität des Emittenten nicht erreicht wird. Verschiedene Indikatoren deuteten aber auf eine Abschwächung der Konjunktur hin, so Intelmann: "Der Ifo-Index für die Stimmung in den Unternehmen ist zuletzt viermal in Folge gesunken. Das signalisiert nicht gerade einen Aufschwung." Intelmanns Fazit: "Wir haben noch etwas Luft nach oben, aber sie wird dünner." Der Experte der Haspa rät Anlegern, bei DAX-Ständen um 7500 Punkte Gewinne mitzunehmen.

Ähnlich sieht es Reichel: "Zu Jahresbeginn haben wir für den DAX ein Kursziel von 7300 Punkten bis Ende 2012 genannt, und wir sehen jetzt keinen Grund, daran etwas zu verändern." Zwar könne der Markt jetzt noch etwas weiterlaufen, so Reichel. "Aber die Zeit ist reif für Gewinnmitnahmen. Wir bleiben vorsichtig, schon weil die Probleme in der Euro-Zone noch nicht wirklich vom Tisch sind."

Privatanleger sind an der Börse derzeit ohnehin nicht in sehr starkem Maße aktiv. Nach Angaben der Quickborner Direktbank Comdirect fiel ihr "Brokerage Index", der die Kaufbereitschaft bei Wertpapieren misst, auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebung. "Die Privatanleger üben sich wegen der Krise in Zurückhaltung", sagt Comdirect-Manager Stefan Wolf."Offensichtlich warten alle auf einen deutlichen Impuls, wohin die Reise an den Märkten geht."