Ein Abgesang von Joachim Mischke

Eine Ära in der Hamburger Kultur ist beendet. Generationen von Konzertgängern müssen ab sofort ganz tapfer sein, denn unser aller guter Freund, Seelentröster und Freudenspender ist von uns gegangen: Die Laeiszhallen-Pausenbockwurst, komplett nur mit Toastbrotlappen und Industriesenf, ist Geschichte. Schlimmer noch, es hat nicht nur das lauwarme Klassiker-Würstchen erwischt, sondern mit ihm auch den Retro-Charme des Erfrischungsraums im104 Jahre alten Konzerthaus.

Seit gefühlt 120 Jahren gehörte diese skurril verunstaltete Erlebnisgastronomie zum Kunstgenuss wie der marmorne Rauschebart zum späten Brahms im ebenfalls aufgehübschten Brahms-Foyer. Aus. Vorbei. Finito. Die Gegenwart ist eingezogen, fort sind auch die letzten Relikte einer Zeit, in der Geschmack noch keine Rolle spielte bei der Inneneinrichtung. Und Geld nur insofern, dass alles billig auszusehen hatte. Wo früher Stehtische wackelten, stehen schnieke Design-Holzmöbel, auf der Speisekarte stehen Speisen. Bei so viel Innovation wird einem ganz anders. Schon aus Gründen des ästhetischen Gleichgewichts zwischen alter Tante Laeiszhalle und Supermodel Elbphilharmonie hätte das nicht sein müssen. Es wird womöglich Jahre dauern, bis man sich an die Lounge-Lässigkeit gewöhnt hat. Falls nicht alles zu spät ist und noch Platz sein sollte neben Kartoffelsalat und Frikadelle im Weckglas: Die Bockwurst hätte einen Ehrenplatz verdient. Nur bitte nicht als "sausage to go".