Neuer Hoffnungsträger soll 15 Prozent weniger Kerosin verbrennen. Airbus-Konzern will mehr Macht für Werksleiter, um schneller zu arbeiten.

Berlin. Neben dem mächtigen A380 in den auffälligen Emirates-Farben wirkt der weiß-blaue A320-Jet auf dem Vorfeld des Flughafens Berlin-Schönefeld fast verloren. Doch der kleine Flieger spielt für den europäischen Flugzeugbauer eine wichtige Rolle bei den Bemühungen, den Treibstoffverbrauch seiner Produkte stetig weiter zu senken: An der Maschine testet Airbus die sogenannten Sharklets - hochgebogene Tragflächenspitzen, die an die Rückenflosse eines Hais erinnern. Diese Neuerung, die hier in Berlin auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) erstmals der deutschen Öffentlichkeit präsentiert wird, soll bewirken, dass die Flugzeuge der A320-Familie künftig rund vier Prozent weniger Kerosin verbrennen. Noch in diesem Jahr gehen die knapp zwei Meter hohen Flossen in die Serienfertigung, auch in Hamburg.

Gleichzeitig ist dies ein Zwischenschritt auf dem Weg zu der künftigen Variante A320neo, die ebenfalls die Sharklets tragen wird und die den Verbrauch dank neuartiger Triebwerke sogar um 15 Prozent gegenüber den bisher gebauten Kurz- und Mittelstreckenjets verringern soll. Das Hamburger Werk wird nach aktueller Planung im vierten Quartal 2015 der erste Airbus-Standort sein, der Maschinen der A320neo-Familie an Kunden ausliefert.

Ohnehin müsse sich die Luftfahrtbranche nicht verstecken, wenn es um die Energieeffizienz geht, meint Fabrice Brégier, seit Juni der neue Airbus-Chef: "Vom Jahr 2000 bis heute ist der Flugverkehr um 53 Prozent gewachsen, die dafür benötigte Treibstoffmenge hat aber nur um drei Prozent zugenommen." Mit dem zum Jahresbeginn auch im Luftverkehr eingeführten Emissionshandel will die EU-Kommission die Branche für ihren CO2-Ausstoß zur Kasse bitten, doch damit dürfte schon bald wieder Schluss sein: Die für Airbus zuständigen Fachminister der vier Länder mit Werken des Flugzeugbauers (Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien) sprachen sich gestern zum ILA-Auftakt dafür aus, den Handel mit den Verschmutzungsrechten auszusetzen, bis über die Weltluftfahrtorganisation ICAO eine international einheitliche Lösung gefunden wird.

Fluggesellschaften wie die Lufthansa warnten vor einem Handelskrieg mit China und den USA. Denn diese Länder hatten scharf gegen die EU-Regelung protestiert, weil sie vorsieht, dass auch Airlines anderer Kontinente bei Flügen nach Europa für den CO2-Ausstoß zahlen müssen.

Airbus-Verkaufsvorstand John Leahy äußerte sich "erfreut" über den Beschluss der Minister: "Es geht um ein globales Problem, darum sollte sich eine weltweite Organisation darum kümmern." Leahy berichtete, China habe den Kauf von Airbus-Langstreckenjets wegen des Streits auf Eis gelegt.

Generell zeigte sich Firmenchef Brégier zum Messeauftakt zufrieden: "Das Geschäft läuft ziemlich gut." Zwar hat Boeing in diesem Jahr bereits mehr Neubestellungen verbucht, als Airbus bis Jahresende erwartet - das sind 600 bis 650. Aber Brégier betrachtet es anders. Er verweist auf den Auftragsbestand von mehr als 4300 Jets, bei dem Airbus weiter vor dem Rivalen aus den USA liegt: "Boeing holt langsam auf."

Dafür liefert die Währungssituation, die den Europäern viele Jahre lang Sorgen bereitete, nun Rückenwind: Airbus erwartet eine Ertragsverbesserung um rund eine Milliarde Euro, weil der Dollar, mit dem die Kunden ihre Jets bezahlen, in den vergangenen Monaten gegenüber der Gemeinschaftswährung deutlich stärker geworden ist. "Wir wünschen uns aber natürlich keine Euro-Krise", versicherte Brégier.

Der Airbus-Chef schlug in Berlin allerdings auch selbstkritische Töne an. Das Unternehmen mit inzwischen 55 000 Beschäftigten, davon rund 12 000 in Hamburg, sei "zu komplex" geworden, sagte er: "Wir brauchen viel zu lange, um Entscheidungen zu treffen. Das ist eine Schwäche." Darum werde der Konzern die Organisation anpassen. "Wir geben den lokalen Teams mehr Freiheiten", so Brégier. Die Leiter der Werke sollen ihren Standort künftig stärker eigenverantwortlich führen, so als sei er eine selbstständige Geschäftseinheit. Über diese Veränderung, die von Betriebsräten und Gewerkschaftern schon lange gefordert wurde, will das Management demnächst mit den Arbeitnehmervertretern sprechen. Verantwortlich für die Umsetzung der neuen Struktur ist Günter Butschek, Vize-Chef des Unternehmens und Vorsitzender der Geschäftsführung von Airbus Deutschland.

Zudem will Brégier ein deutsches Exportmodell auf die Fabriken in Frankreich übertragen: Airbus will dort eine Berufsausbildung nach deutschem Muster einführen, um sich qualifizierten Nachwuchs an Technikern zu sichern. Manche der im Konzern ausgebildeten jungen Menschen könnten nach ihrem Abschluss auch bei Zulieferern arbeiten. Im Hinblick auf Ingenieure jedoch habe es Airbus in Frankreich leichter als in Deutschland, sagte Brégier: "Ingenieurstudenten in Frankreich sehen das Unternehmen als den Arbeitgeber Nummer eins, auch weil das Land sonst keine so starke Industrie hat." In der Bundesrepublik dagegen zögen Autohersteller wie Daimler oder Audi viele Absolventen an.

+++ EADS sucht 1500 Fachkräfte - Stärkster Bedarf bei Airbus +++

Die Sicherung qualifizierten Nachwuchses ist eine Voraussetzung dafür, dass Airbus die Produktion künftig noch weiter steigern kann. Derzeit fährt der Konzern die Fertigungsrate bei der A320-Familie von bisher 40 Jets im Monat auf 42 Maschinen hoch. Die neue Taktrate soll im vierten Quartal 2012 erreicht sein, wobei der Anteil des Standorts Hamburg an der Gesamtproduktion zuletzt zugenommen hat; in der Hansestadt werden künftig 23 Maschinen im Monat endmontiert. "Hamburg hat sich in den vergangenen Jahren sehr verbessert", erklärte Brégier.

Mit der Kundennachfrage in Deutschland kann er ohnehin zufrieden sein. Airbus schätzt den Bedarf für die kommenden 20 Jahre auf 1020 Passagier- und Frachtflugzeuge. Darunter sind auch 100 "sehr große Flugzeuge" in der Kategorie des A380 oder der neuen Boeing-747-8, der neuesten Version des bewährten Jumbojets.

Der doppelstöckige Mega-Airbus wird nach Auffassung von Brégier "das Flugzeug der Zukunft" sein. Denn die Weltbevölkerung wächst, und ein immer größerer Anteil wohnt in Städten. In den kommenden 20 Jahren werde die Zahl der großen Umsteigeflughäfen, auf die der A380 zugeschnitten ist, von aktuell 42 auf mehr als 90 zunehmen. Das Problem mit den Haarrissen in den Flügeln des Jets ist nach Aussagen von Brégier behoben. Er räumte ein, die Ausfallzeiten für die notwendigen Reparaturen hätten "viele Kunden verärgert". Am Zeitplan für den aus besonders leichten Kohlefaserwerkstoffen gebauten mittelgroßen Langstreckenflieger A350, hält Airbus fest: Ende 2014 soll der Jet auf den Markt kommen. Allerdings sei dies ein "enorm herausforderndes Programm".

Eine andere Unsicherheit jedoch ist nun ausgeräumt: Die staatliche Förderbank KfW übernimmt bis zum Jahresende einen Anteil am Airbus-Mutterkonzern EADS vom Autohersteller Daimler, wie der Parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze sagte. Damit konkretisiert sich der Zeitplan für die Transaktion, die schon lange geplant ist. Die Bundesregierung poche auf eine ausgeglichene Machtbalance beim EADS-Konzern, sagte der für Luft- und Raumfahrt zuständige Wirtschaftsstaatssekretär. Auch Frankreich ist an EADS beteiligt. Zudem wolle Deutschland auch künftig seine Anteile von Forschung, Entwicklung und Produktion bei Airbus erhalten. "Das sieht im Moment gut aus", sagte Hintze.