Eine Glosse von Elisabeth Jessen

Das Bekenntnis meines Kollegen kam völlig unvermittelt. Er sei ein Folterknecht, sagte er und grinste dabei. Nun kenne ich ihn seit Jahren als lieben, netten Menschen, der nur schwer aus der Ruhe zu bringen ist. Nur seine drei pubertierenden Töchter setzen ihm regelmäßig zu.

So auch diesmal. Seine große Tochter hat ihr Smartphone verloren. Und er wolle ihr keine neues kaufen, sagt er. Noch lange nicht. Denn seit ihre siamesische Verbindung zu dem Handy gekappt ist, kommen langsam wieder Seiten an ihr zum Vorschein, die lange verschüttet waren.

Das Drama am ersten Tag war natürlich groß. Die Tochter lag übellaunig im abgedunkelten Zimmer und wusste nichts mit sich anzufangen.

Sie bot ein Bild des Jammers und der bodentiefen Verzweiflung - schließlich war ihre Nabelschnur zu ihren Freunden, zu Facebook, zum Internet gekappt. Am nächsten Tag blieben die Vorhänge immerhin geöffnet und beim Abendbrot erzählte sie, wie ihr Schultag war. Am Tag darauf traute mein Kollege seinen Augen nicht, als er am Abend in ihr Zimmer kam (natürlich hatte er vorher angeklopft). Das Zimmer war aufgeräumt, auf dem Boden lagen nicht wie üblich unzählige Klamotten, und sogar auf dem Schreibtisch herrschte Ordnung. Sie habe sich gelangweilt, sagte die Schülerin dem staunenden Vater.

Leider löchert sie ihn auch jeden Tag, wann sie denn nun ein neues Handy bekomme. Aber darauf will sich mein Kollege noch nicht festlegen. "Die spanne ich noch ein paar Tage auf die Folter."