Monatelang war nach Standorten gesucht worden. Hamburg will Strommenge verdoppeln. Furcht vor Naturzerstörung, Lärm und Stress.

Hamburg. Der Senat hat die Pläne für mögliche Standorte neuer Windkraftanlagen öffentlich ausgelegt. Fünf Wochen lang haben die Hamburger nun Zeit, sich in Ämtern und der Baubehörde über die neuen Flächen für Windräder zu informieren, Bedenken zu äußern oder Anregungen zu geben.

Nach monatelanger Suche ist der Senat an fünf Standorten fündig geworden: auf dem Energieberg in Georgswerder, in Francop, in Ochsenwerder, in Neuengamme und in Altengamme/Curslack. Das geht aus einer Mitteilung der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt hervor. Nach den Plänen könnten dann 34 neue Anlagen entstehen. Diese würden zum Teil auch alte Anlagen ersetzen, die abgerissen werden sollen.

Die Hansestadt Hamburg, Standort großer Windenergieunternehmen, will selbst mehr Strom durch Windkraft erzeugen. Die Leistung soll von derzeit rund 52 Megawatt auf deutlich mehr als 100 Megawatt gesteigert werden. Es sollen nicht nur bestehende Anlagen leistungsfähiger gemacht werden. Eine gigantische Aufgabe, die Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) Anfang September mit der Weltraumfahrt verglich: Die Energiewende sei eine schwierigere Mission "als die Landung auf dem Mond".

+++ So kann man sich informieren und mitreden +++

+++ Die Schattenseite der Energiewende +++

Was man dann auch von weitem sehen kann: So könnten in den Vier- und Marschlanden ganze Reihen von riesigen Rädern zum neuen Symbol einer platten Landschaft werden, die über Jahrhunderte vorwiegend Hamburgs Gemüse- und auch Blumengarten war. Allein in Ochsenwerder könnten sieben Räder in einer Reihe stehen, die nach Befürchtungen der "Bürgerinitiative Windenergie Ochsenwerder" (BIWO) bis zu 150 Meter hoch werden und bis zu 500 Meter nah an die Wohnhäuser am Elbdeich heranreichen würden.

"Die Anlagen werden den ganzen Horizont einnehmen und die gewachsene Kulturlandschaft zerstören", erklärt die BIWO. Zu ihren Forderungen gehört: 1500 Meter Mindestabstand zu der Wohnbebauung, 100 Meter Maximalhöhe und keine Befeuerung.

Auch die oppositionelle CDU kritisiert das Vorhaben: Die SPD plane, ohne die Bedenken der Anwohner zu berücksichtigen. Die CDU fordert, allgemeingültige Abstände zur Wohnbebauung und Lärmgrenzwerte festzulegen.

Der Bergedorfer CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Dennis Gladiator sagt: "Der Schutz der Menschen vor negativen Auswirkungen darf in Hamburg nicht weniger wert sein als in anderen Bundesländern!" Die Bürgerinitiative bemängelt, dass der Mindestabstand zu Wohnhäusern in Hamburg nur 500 Meter betrage - in Mecklenburg-Vorpommern und in Niedersachsen dagegen 1000 Meter.

Die Gegner sehen viele Gefahren durch die Riesenwindräder: Lärm, Schattenschlag, Teileflug, Naturzerstörung, Infraschall und Befeuerung sowie im Winter Eisschlag. Zudem lösten Windkraftanlagen "Psycho-Stress", "ständigen Wimpernschlag" und "Fluchtreflexe" aus. Daneben befürchten die Anwohner schädliche Folgen für die Wirtschaft und für die Entwicklung Ochsenwerders.

"So würde unsere schöne Gegend endgültig zur Industrielandschaft werden", sagt Bettina Albright aus Altengamme. "Wir sind für Windenergie und für die Energiewende", sagt auch Anwohner Helfried Schulke. Aber die neuen Vorschläge gingen zu weit. "Es würden irreparable Schäden in einem der beliebtesten Naherholungsgebiete angerichtet, und wir wollen die Stadt davor bewahren."

Schon heute litten viele Altengammer unter den sich ständig bewegenden Schatten und der nächtlichen Geräuschkulisse. Gegen die ausliegenden Pläne können allerdings keine formalen Einsprüche eingelegt werden. Denn die "Einigungsgebiete für Windkraftanlagen in Hamburg" stellen Entwürfe dar, für die Einsprüche nicht vorgesehen sind.