Es gibt fremde Wörter und deutsche Wörter. Wie aber lautet das schönste Wort unserer Muttersprache?

Ein Wörterbuch ist keine Rentenformel. Im Gegensatz zur Bevölkerungsentwicklung zeigt die "demografische" Kurve unseres Sprachschatzes nicht dramatisch nach unten. Die 25. Auflage des Rechtschreibdudens bietet zwar keine neuen Regeln, weil man mit den derzeitigen gut leben kann, dafür aber 5000 neue Einträge.

Die werden sorgsam ausgewählt. Die Zeiten, als jede Sprachspielerei des "Spiegels" oder jeder Druckfehler des "Mannheimer Morgens" gleich zu einem Stichwort gerann, sind vorbei. Heute muss ein Wort, das in den Duden will, in einer gewissen Häufigkeit über einen längeren Zeitraum in verschiedenen Textsorten und Medien aufgetreten sein. Eintagsfliegen wie Drei-Häuser-plus-ein-Pub-Ortschaft haben keine Chance. Auch die Latte-macchiato-Mama , die den heimischen Herd kalt lässt, ihre Kinder einpackt, stundenlang vor trendigen Modecafés hockt und ihre quengelnden Kleinen mit einem Kinderlatte ruhigstellt, der nur aus Milchschaum besteht, dürfte eher etwas für das Lexikon der Szenesprache sein.

Neue Wörter vergrößern zwar den Wortschatz, aber keineswegs den deutschen Anteil daran. Die meisten Neuerwerbungen haben einen Migrationshintergrund, haben nach flüchtiger Integration lediglich notgedrungen die deutsche Sprachbürgerschaft bekommen. Es gibt besonders auf dem Gebiet der globalen Informations- und Computertechnik kaum noch deutsche Bezeichnungen.

Als ich das Verb twittern zum ersten Mal las, fühlte ich mich an das Zwitschern der Vögel erinnert und nicht an die Kurznachrichten über den Internetdienst Twitter.

Je größer der Fremdwörteranteil im Korpus der deutschen Sprache ist, desto gefährdeter sind die alten deutschen Erbwörter. Von Eidam (Schwiegersohn), Oheim (Onkel), Muhme (Tante) oder Base (Cousine) haben wir uns bereits kurz nach dem "Urfaust" verabschiedet, der Hahnrei (gehörnter Ehemann) ist zwar keineswegs der Bedeutung, aber dem Wort nach elbabwärts entschwunden, von beleibzüchtigen (lebenslang Unterhalt gewähren) spricht niemand mehr, und selbst der Selbstwählferndienst oder das Lichtspielhaus - technische Wunder meiner Jugendzeit - sind reif fürs Museum.

Damals sprachen wir noch vom Backfisch (Teenager), Steckenpferd (Hobby) und einem zwanglosen Fest (Party). Versuchten Sie das heute, gerieten Sie in Verdacht, senil, wenn nicht gar dement zu sein. Solche Wörter bekommen erst den Zusatz "veraltend", dann "veraltet" und werden schließlich zur Löschung freigegeben. Das passiert auch dem urdeutschen Adjektiv hanebüchen , das hart und knorrig wie das Holz der Hainbuche war. Heute bedeutet es abwertend "unverschämt" oder "unerhört", bis es ganz gestorben sein wird. Meine Tochter hat es bereits gestrichen. Sie behauptet, es sei zu lang und zu kompliziert für eine SMS.

Wörter wie Flatrate, Jobcenter, Ratingagentur oder Spamfilter sind weder deutsch noch schön, und auch Klimawandel, Energiewende oder Dosenpfand klingen eher wie apokalyptische Heimsuchungen, die Bedenkenträger seit Jahren durch alle Medien jagen. Das wirklich schönste deutsche Wort wurde vor einiger Zeit im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs vom Deutschen Sprachrat gekürt. Gewonnen haben die Habseligkeiten . Habseligkeiten - das ist kein Wort, das ist Gefühl, das ist Synästhesie. Hier verschmelzen die Sinneseindrücke, hier denkt man an Omas Muddelschieblade und das alte Spinnrad im Keller, an Geborgenheit (2. Platz) und Altenteil. Hamburger Familien transportierten ihre Habseligkeiten früher beim Umzug auf der Schottschen Karre Richtung Barmbeck.

Nach lieben und dem Augenblick landete die Rhabarbermarmelade auf Rang 5. Rhabarbermarmelade? Rhabarbermarmelade! Als die Aufstellung über den Ticker lief, fragten wir bei der Agentur zurück, ob das ein fauler Witz sein solle.

Es blieb bei der Rhabarbermarmelade und tötete meine Stimmung. Die Fruchtsäure der Rhabarberstangen, die meine Mutter in der schlechten Zeit fast ohne Zucker verarbeiten musste, machte die Zähne stumpf und die Zunge taub. In meiner Erinnerung fühlte mein Mund sich danach an, als hätte ich mit "Abflussfrei" gegurgelt.