Die ehemalige Treuhand- und Expo-Chefin Birgit Breuel lebt zurückgezogen im Westen von Hamburg. Heute feiert sie ihren 75. Geburtstag.

Hamburg. Im Garten arbeiten, Tennis spielen, sich um Kinder kümmern - das sind tagfüllende Aufgaben für eine Rentnerin im vornehmeren Teil des Hamburger Westens. Und Birgit Breuel macht keinen Hehl daraus, dass sie das ausfüllt. Nein, reden möchte sie nicht über den 75. Geburtstag, den sie an diesem Freitag feiert. Ja, eine kleine Feier im Familienkreis. Nein, zur Politik hat sie nichts zu sagen. Sich noch mal einmischen? Gott bewahre!

Damit wäre alles gesagt, wenn Birgit Breuels Leben nicht so aufregend, so verwoben mit der deutschen Geschichte wäre. Manchmal, sagt sie zögerlich im Abendblatt-Gespräch, hat sie noch Kontakt zur Vergangenheit. Da besucht sie sogar den Mann, der als Erster ihren wirtschaftlichen Sachverstand und ihre Zähigkeit schätzte. Mit ihm ist das Gespräch schwierig. Ernst Albrecht, Vater von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und früher Ministerpräsident von Niedersachsen, hat Alzheimer.

+++ Wie die CDU Leyen ausbremste +++

+++ Die erste Ministerin +++

Albrecht wagte es Ende der 70er-Jahre, eine fast unbekannte Politikerin aus dem Hamburger Feierabend-Parlament nach Niedersachsen zu locken. Birgit Breuel wurde Ministerin für Wirtschaft und Verkehr. Sie war die erste Frau in der deutschen Politik, die sich an exponierter Stelle mit anderen Themen als Frauen, Kinder und Familie befassen durfte. Und Breuels Kosmos drehte sich schon immer um Finanzen, Wirtschaft und Produktivität.

Ihr Vater war Alwin Münchmeyer, Hamburger Privatbankier und als Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages einer der Kapitäne des Wirtschaftswunders. Fünf Kinder waren sie zu Hause, vier Töchter. Nur der Sohn durfte direkt auf den Spuren des Vaters wandeln. Birgit Breuel machte Abitur, studierte in Hamburg, Oxford und Genf Politikwissenschaft, brach jedoch kurz vor dem Abschluss wegen ihrer Hochzeit mit Ernst Jürgen Breuel ab. Sie arbeitete als Direktionsassistentin beim Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv und in New York. Während Mitte der 60er Demonstranten durch die Straßen zogen, ging sie in die CDU und engagierte sich in Hamburg - bis der Anruf von Ernst Albrecht kam.

Nach acht Jahren als Wirtschaftsministerin übernahm Breuel 1986 das Finanzressort. Ihr Credo: weniger Subventionen, öffentliche Beteiligungen privatisieren. Kaum hatte sie im Vereinigungstrubel des Herbstes 1990 einen Vorstandsposten bei der Treuhandanstalt übernommen, überschlugen sich die Ereignisse. Ihr Vater starb, wenig später ihr jüngster Sohn Philip an Krebs. Und im selben Frühjahr 1991 wurde Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder ermordet. Die Terroristen schossen aus großer Entfernung durch die Scheibe seines Düsseldorfer Hauses. Breuel wurde seine Nachfolgerin.

Da war nicht lange zu überlegen, sagt sie heute. Die Pflicht rief, sie funktionierte. Über Politik der Treuhand bei der Abwicklung der DDR-Wirtschaft sind ganze Bücherregale geschrieben worden. Birgit Breuel sagt heute: "Der Weg war richtig. Aber es hat auch Kriminalität gegeben." Glücksritter, die aus dem Untergang der Volkseigenen Betriebe Profit schlugen, Subventionen kassierten und Firmen an die Wand fuhren. Nach der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover, deren Geschäftsführerin sie war, zog sie sich ins Privatleben zurück.

"Von der Beachtung hatte ich genug." Ein kluger, doppeldeutiger Satz. "Genug" heißt ausreichend und "die Nase voll". Heute zählt für sie vor allem die Stiftung, die sie für ihren verstorbenen Sohn Philip gegründet hat. Er war Kunststudent, sie führt seine Ideen fort. Mit Kunstprojekten soll Kindern aus Hamburger Problemvierteln neues Selbstvertrauen geschenkt werden. An den Namen im Freundeskreis der Stiftung sieht man noch, mit welcher Beharrlichkeit Birgit Breuel auch diese Aufgabe verfolgt hat. Die Unterstützer heißen Lambsdorff, Dohnanyi, Oetker.