Senat startet 259 Millionen Euro teures Beschleunigungsprogramm. Spatenstich für erste Linie erfolgt Ende dieses Monats. Staus drohen

Hamburg. Im Alltag fehlt Frank Horch meist die Zeit, mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Hamburg zu fahren. Ein Grund mehr für den Wirtschaftssenator, sich den Planungsstand des Großprojekts seiner Behörde direkt am Ort des Geschehens erklären zu lassen - das sogenannte Busbeschleunigungsprogramm. Das kannte der parteilose Senator bislang nur aus Akten und Gutachten. In einem Bus ging es deshalb gestern, gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren, auf eine dreistündige Tour entlang der Metrobuslinien 5 und 3, die als Erstes in Angriff genommen werden und attraktiver gemacht werden sollen.

In insgesamt zwei Bauabschnitten bis ins Jahr 2020 sollen die 14 wichtigsten Metrobuslinien auf Hamburger Stadtgebiet optimiert werden, um die Fahrzeiten zu verkürzen, die Fahrgastkapazitäten zu erhöhen und das Busfahren komfortabler zu machen.

"Wenn alle Baumaßnahmen umgesetzt sind, werden wir ein Bussystem haben, das unter stadtbahnähnlichen Verhältnissen arbeitet", sagte Frank Horch nach seiner Begutachtung. "Mit 259 Millionen Euro, die das Programm die Stadt kosten wird, müssen wir aber nur ein Viertel dessen ausgeben, was eine echte Stadtbahn in ähnlichem Ausmaß gekostet hätte." Ein weiterer Vorteil sei die Zeitersparnis, argumentiert Horch. Der Bau einer Straßenbahn hätte Dekaden gedauert, das Busbeschleunigungsprogramm soll in acht Jahren abgeschlossen sein.

Begonnen wird mit den Baumaßnahmen noch in diesem Monat. Der erste Spatenstich an der Grindelallee soll am 28. September erfolgen. Dann wird über mindestens vier Monate hinweg die Haltestelle Universität/Staatsbibliothek stadtauswärts in die Grindelallee hinein verlegt, der Fahrradweg optimiert. Diese Baustelle wird eine von neun Maßnahmen sein, die für eine Beschleunigung des Busverkehrs der Linie 5 (Burgwedel-Hauptbahnhof) sorgen soll. Diese Linie ist bislang die einzige, deren Ausbau bereits konkret geplant ist. Das ambitionierte Ziel: Die Fahrzeit, aktuell 54 Minuten zwischen den Endhaltestellen, soll auf 41 Minuten verkürzt werden.

"Außerdem ist es unser Ziel, mit einer höheren Taktzahl eine Kapazitätssteigerung von 30 Prozent zu erreichen", sagt Gerhard Schenk, verantwortlich bei der Hochbahn für die Planung des Programms. Alleine in die Linie 5 werden 40 Millionen Euro investiert. Hier werden Haltestellen verlegt, in einigen Abschnitten Busspuren eingerichtet. Ein wichtiger Faktor für eine Zeitersparnis sind intelligente Ampelschaltungen, sodass die Busse im besten Fall nur an den Haltestellen zum Ein- und Ausstieg halten müssen.

Eine fast genauso hohe Priorität wie die Linie 5 besitzt die Metrobuslinie 3, die zwischen der Speicherstadt und Schenefelder Platz verläuft. "Es gibt Abschnitte, beispielsweise am Kaltenkircher Platz, bei denen die Fahrzeit bei normalem Verkehr 90 Sekunden zwischen zwei Haltestellen dauert, bei Stau benötigt der Bus aber auch mal bis zu 15 Minuten", sagt Sven Plake vom Verbund VHH/PVG, der die Linie befährt. "Da muss dringend etwas getan werden." Für diesen Abschnitt kalkuliert die Stadt mit Kosten in Höhe von 55 Millionen Euro.

"Alles, was den öffentlichen Personennahverkehr attraktiver macht, ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Paul Schmid, Sprecher des Umweltschutzverbands BUND. Insofern sei auch eine Beschleunigung der Busse zu begrüßen. Noch wichtiger, so der Umweltexperte, seien aber günstigere Fahrpreise: "Im Moment ist es einfach nicht attraktiv, mit dem Bus oder der Bahn zu fahren", so Schmid. Auch Christian Schäfer, Leiter des Bereichs Technik und Verkehr beim ADAC Hansa, hält das Hamburger Busbeschleunigungsprojekt für eine sinnvolle Sache. "Nicht nur die Busse werden schneller, auch der Parallelverkehr wird besser fließen", sagt Schäfer. "Und die Auswirkungen auf den Querverkehr sind nach allen bisherigen Untersuchungen marginal." Vor allem für Europas meist frequentierte Buslinie, die Linie 5 mit ihren täglich mehr als 50 000 Fahrgästen, sei eine Beschleunigung wünschenswert.

Till Steffen, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, wirft dem Senat bei der Planung der Busbeschleunigung hingegen Konzeptlosigkeit vor: "Dass man 259 Millionen Euro ausgeben will und nicht einmal benennen kann, welcher Nutzen entsteht, ist abenteuerlich." Die Maßnahmen würden vermutlich so gut wie nichts bewirken, sagt Steffen. Das habe sich auch bereits in anderen Städten gezeigt. Der Senat verbrenne mit dem Projekt Steuergelder, sagt Steffen: "Es handelt sich um eine Maßnahme ohne Konzept."

Die ohnehin staugeplagten Hamburger Autofahrer fürchten darüber hinaus, dass die Bus-Offensive zu ihren Lasten gehen könnte: Während der Baumaßnahmen wird es zu Behinderungen kommen, die Maßnahme kostet Parkplätze - und an einigen Stellen werden Pkw-Spuren zugunsten der neuen Busspuren eingeengt.

Einen Vorgeschmack auf die möglicherweise bevorstehenden Behinderungen erhielten Autofahrer gestern: Wegen des großen Andrangs am Messegelände brauchten Autofahrer aus dem Hamburger Nordwesten mehr als eine halbe Stunde für die einige Hundert Meter lange Strecke zwischen Rentzelstraße und Lagerstraße. Im Hamburger Süden behinderten gestern - wie auch in den kommenden Tagen - zudem zahlreiche Großbaustellen den Verkehr.