Behörde entzieht wegen “katastrophaler Sicherheitsmängel“ die Genehmigung. Fluchtwege fehlen, Brandschutz ist nicht ausreichend.

Wilhelmsburg. Tango stand für den Freitagabend auf dem Veranstaltungsprogramm; mit gut 150 Tänzern rechneten die Macher der Wilhelmsburger Soul Kitchen. Die ebenso rustikale wie angesagte Halle auf der Elbinsel gilt seit dem gleichnamigen Erfolgsfilm von Fatih Akin als neues Zentrum einer aufblühenden und nicht kommerziellen Szenekultur in dem Stadtteil. Doch damit ist vorläufig Schluss. Am Freitagnachmittag hängten Mitarbeiter des zuständigen Bezirksamts Mitte einen Hinweis an die Tür des Gebäudes. Die Nutzung der ehemaligen Lagerhalle an der Industriestraße wird untersagt - so der Tenor mit Verweis auf die Hamburgische Bauordnung. Das Aus der Kulthalle, die deutschlandweit durch den Film bekannt ist? Wieder ein Ende einer beliebten Subkultur-Location in Hamburg, wie am Wochenende in vielen erzürnten Internetkommentaren zu lesen war?

Doch so einfach ist die Sache offenbar nicht: "Es gab schwere Sicherheitsbedenken", begründete gestern Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) das harte Vorgehen seiner Behördenmitarbeiter. Natürlich sei so etwas keine schöne Maßnahme, doch die Sicherheit der Gäste müsste in diesem Fall einfach Vorrang haben, sagt Grote. Es gebe keine richtigen Fluchtwege, der Brandschutz sei für eine Veranstaltungshalle "katastrophal", und überall hingen elektrische Kabel herum. Grote: "Jeder Bauprüfer, der so einen Zustand duldet, muss bei einem Unfall damit rechnen, zum Staatsanwalt zitiert zu werden." Die so überraschend anmutende Sperrung, begründet der Bezirksamtsleiter mit der Dringlichkeit. Mehrfach seien mit dem Betreiber Gespräche geführt worden, um die Halle für ihren neuen Zweck genehmigen zu können. Zuletzt habe es dringende Hinweise von Feuerwehr und Polizei gegeben wegen der Sicherheitslage. "Geändert hat sich aber nichts an dem Zustand", sagt Grote.

+++ Keine bösen Bürokraten +++

+++ "Soul Kitchen" heute in der ARD +++

Der Betreiber der seit 2010 existierenden Soul Kitchen, Mathias Lintl, fühlt sich dennoch überrascht, bemüht sich aber um Schadensbegrenzung. Geplante Veranstaltungen sollen nun vorläufig in die nahe Honigfabrik verlegt werden, so etwa ein internationales Bandfestival am kommenden Sonnabend. Das Vorgehen des Bezirks stößt aber bei ihm, zumindest öffentlich, auf keine harte Kritik. "Wir sind bemüht, die Mängel abzustellen, und haben nun endlich eine Liste von Vorgaben dazu", sagte er dem Abendblatt. Bisher sei die Soul Kitchen eben mehr ein Ort der Produktion gewesen. Und vielfach fehle einfach das Geld, um bauliche Auflagen bezahlen zu können. Doch ohne Einnahmen aus Veranstaltungen könne man solche Kosten nicht aufbringen. "Ein Teufelskreislauf, aus dem wir nur schwer herauskommen", sagt er.

Aber vielleicht gibt es eine Lösung. Denn tatsächlich dürfte eine endgültige Schließung der Soul Kitchen durch die Behörden auf erheblichen Protest stoßen. Wie schon einmal: Vermieterin der Halle, die bis in die 1960er-Jahre zu den Zinnwerken Wilhelmsburg gehörte, ist die städtische Immobilienverwaltung Sprinkenhof AG. Der Erdboden gilt als verseucht mit Schwermetallen und müsste bei einer Vermarktung saniert werden. Bisher war die Rede davon, dass das immerhin 16 000 Quadratmeter große Grundstück 2014 von der Stadt vermarktet werden soll. 2011 wurde dann bekannt, dass die Sprinkenhof AG den Nutzungsvertrag mit der Soul Kitchen kündigen will, die aus der ehemaligen Filmkulisse einen tatsächlichen Treffpunkt gemacht hatte. Fiktion und Realität verschmolzen so auf geniale Weise, die besonders Wilhelmsburg viel Beachtung brachte. Der Protest war daher groß, und auch der Hamburger Regisseur Akin setzte sich für den Erhalt der realen aber neuen Soul Kitchen ein. Zentrales Thema des Films ist dann auch der Kampf um den Erhalt solcher Orte in Hamburg, die von Verdrängung bedroht sind.

Doch eine endgültige Schließung ist offenbar auch nicht das Ziel der Behörden. Jedenfalls nicht in naher Zukunft. Und nicht, während Wilhelmsburg im kommenden Jahr Schauplatz von Internationaler Gartenschau (igs) und Bauausstellung (IBA) ist und dann als Vorzeigestadtteil glänzen soll.

So kann sich Bezirksamtsleiter Andy Grote eine Wiedereröffnung durchaus vorstellen. "Wir werden jetzt nach einem Weg suchen, die Halle wieder für Veranstaltungen öffnen zu können", sagte er dem Abendblatt. Auch Betreiber Lintl zeigt sich optimistisch. "Wir sind zuversichtlich, dass es bald weiter geht", sagt er. Und zumindest für heute Abend ist wieder eine Veranstaltung geplant. Dann sendet die ARD um 20.15 Uhr den Film "Soul Kitchen". Und das soll am Originalschauplatz auf einer Großleinwand gezeigt werden. Jetzt allerdings nur draußen.