Vor allem bei Großveranstaltungen sind die Zustände untragbar. Anwohner protestieren, doch der Bezirk unternimmt bisher nichts.

Neustadt. Michaela Schmidtke kann es nicht überhören, in den Sommernächten, wenn sie bei geöffnetem Fenster schläft: das satte Plätschern, wenn sich mal wieder jemand vor dem Wohnhaus an den Michelwiesen erleichtert. Doch auch tagsüber und in den frühen Abendstunden werden der Eingangsbereich des Rotklinkergebäudes sowie der daneben liegende Spielplatz gerne und oft von "Wildpinklern" aufgesucht. Grund sind die hohen Hecken, hinter denen man sich unbeobachtet erleichtern kann - und das Fehlen öffentlicher Toiletten in unmittelbarer Nähe.

"Gerade bei Großveranstaltungen wie dem Hafengeburtstag oder kürzlich Cruise Days und White Dinner ist es hier katastrophal", sagt Michaela Schmidtke, deren richtiger Name nicht veröffentlicht werden soll. "Dann urinieren die Menschen hier nicht nur hin, sondern verrichten auch ihre Notdurft in den Hecken", sagt sie und weist auf einen Haufen zusammengeknüllter Papiertaschentücher in den Büschen neben der Haustür. "Beim White Dinner hat einer sogar direkt vor die Tür gekotzt." Weggemacht hat die Schweinerei Schmidtkes Nachbarin Anja Groß (Name ebenfalls geändert). Sie wohnt seit sechs Jahren an den Michelwiesen. So wie auch Michaela Schmidtke ist sie hierhergezogen, weil sie den Trubel in Hafennähe mag. Beide betonen, dass sie es schön fänden, wenn auf den Michelwiesen viel los sei. Sie störten sich nur an den riech-, sicht- und hörbaren Nebenerscheinungen. "Vorher habe ich zehn Jahre auf St. Pauli gewohnt, bin also gewohnt, dass Leute vor die Haustür pinkeln", sagt Anja Groß. "Doch ich hätte niemals damit gerechnet, dass es hier sogar noch schlimmer ist." Sie habe schon mehrfach Eltern davor gewarnt, den idyllischen, heckenumsäumten Spielplatz mit ihren Kindern zu nutzen.

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Auch die benachbarte Kita CompanyKids geht mit ihren Kindern nicht mehr auf den Spielplatz. "Der Zustand dort sind unzumutbar", sagt Kita-Leiterin Elisabeth Gravier. Dabei ist die Einrichtung am Schaarsteinweg darauf angewiesen, mit ihren 30 Schützlingen öffentliche Spielplätze zu besuchen. Der nächste schöne liegt an der Straße Eichholz. "Für die großen Kinder ist der Weg dorthin zu bewältigen", sagt Elisabeth Gravier. "Für unsere Kleinen ist er anstrengend. Sie würden lieber vor der Haustür spielen."

Alle drei Frauen haben bereits beim Bezirksamt Hamburg-Mitte um Hilfe gebeten und das Problem sowohl dem Ordnungsamt als auch dem Fachamt für öffentlichen Raum geschildert - Anja Groß hat sogar einen Brief an den früheren Bezirksamtsleiter Markus Schreiber geschrieben. Der antwortete nicht, die anderen fühlten sich nicht zuständig oder wiesen auf ihre Überlastung hin. "Ich habe schon überlegt, ob wir das Schneiden der Hecke nicht selber organisieren sollten", sagt Anja Groß. "Schlimmstenfalls wäre das Sachbeschädigung."

Dem Bezirksamt ist das Wildpinkler-Problem also bekannt. "Es gibt dort immer wieder Beschwerden", räumt Sprecher Hartwig Behrens ein. Man habe auch bereits vor zwei Monaten von der entsprechenden Fachabteilung eine Überarbeitung der Beschilderung gefordert, die auf das öffentliche WC am Krayenkamp, unterhalb des Michel, hinweist. "Bislang ist da nichts geschehen", so Behrens. Er will jetzt noch einmal nachhaken und hat auch den Bezirklichen Ordnungsdienst gebeten, "ein Auge" auf die Angelegenheit zu haben. Auch will er prüfen lassen, ob man eine Verbesserung der Situation durch das einfache Zurechtstutzen der zwei Meter hohen Hecke erreichen könnte.

Anwohner Carsten Müller (Name geändert), der seinem dreijährigen Sohn den Spielplatzbesuch ebenfalls verweigert, bezweifelt, dass diese Maßnahmen ausreichen. Sein Vorschlag: eine selbstreinigende, gerne auch kostenpflichtige Toilettenanlage unten an den Michelwiesen "Die wenigsten Besucher sind bereit, hoch zum Krayenkamp zu laufen. Zudem reicht die Anzahl der WC dort für größere Menschenmengen kaum aus." Tatsächlich wurden dort während des White Dinners sechs zusätzliche Dixie-Klos aufgebaut - zu wenig, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat.