Eine Aufwertung der südlich der Elbe gelegenen Viertel ist für ganz Hamburg von Vorteil

Am Wachstum Hamburgs führt kein Weg vorbei. Metropolen, das haben Städteforscher herausgefunden, sind das Hauptziel von Zuwanderern. Sie kommen aus dem nahen Umland, aus anderen Bundesländern und von anderen Kontinenten. Seit Februar dieses Jahres zählt Hamburg wieder mehr als 1,8 Millionen Einwohner, und die Zuzugsraten werden in den kommenden Jahren stabil bleiben.

Es sind vor allem junge Menschen, die der Faszination Hamburgs erliegen. Sie absolvieren hier ihre Ausbildung, studieren oder finden einen Job. Viele von ihnen werden bleiben und eine Familie gründen. Zugleich wird Hamburgs Bevölkerung älter. Spätestens 2030 ist jeder Dritte älter als 65 Jahre. Der Stadt muss also ein Spagat gelingen. Sie muss wachsen und zugleich lebenswert bleiben.

Die Chancen dazu bietet in erster Linie der Süden der Stadt: Harburg, Wilhelmsburg, die Veddel. All jenen, die jetzt abwehrend die Hand heben, sei zugerufen: Fahren Sie einfach mal hin! Sie werden Überraschungen erleben. Auf den Elbinseln gibt es herrlich naturbelassene Ecken. Wer durch Wilhelmsburg streift, wird charmante Wohnviertel entdecken. Großstädtisch geht es im Zentrum Harburgs zu.

Das alles hat sich in den vergangenen Jahren entwickelt, weil eine wachsende Zahl von Menschen vor Ort sich nicht mehr mit dem Vorurteil, der Süden werde stiefmütterlich behandelt, abfinden will. Hinzu kommt, dass alle Senate der letzten zehn Jahre den "Sprung über die Elbe" forcierten.

So gibt es ein Förderprogramm, mit dessen Hilfe Studenten die Ansiedlung in Wilhelmsburg oder auf der Veddel erleichtert werden soll. Dass die SPD das 2006 von der CDU ins Leben gerufene Programm jetzt auf Harburg und Auszubildende ausweitet, ist ein gutes Zeichen für den Süden.

Auch die TU Harburg ist eine Erfolgsgeschichte; die Harburger Schlossinsel könnte eine werden. Sicher ist, dass die Internationale Gartenausstellung und - mehr noch - die Internationale Bauausstellung Meilensteine für die Entwicklung des Südens sind. Dabei ist nicht entscheidend, dass auf dem IBA-Gelände bis zu 5000 Wohnungen errichtet werden sollen.

Wichtiger ist, dass Hunderttausende im kommenden Jahr Hamburgs Süden mit eigenen Augen sehen werden. Sie werden erleben, was es heißt, "eine Stadt neu zu bauen". Was es heißt, Wohnen und Arbeiten in einem Quartier zu organisieren - und zwar so, dass das Leben lebenswert bleibt. Und sie werden erleben, wie nah der Süden Hamburgs ist - keine 20 Minuten vom Hauptbahnhof entfernt.

Natürlich gehört zu einem Plädoyer für den Hansestadt-Süden, die negativen Dinge nicht auszublenden. Hohe Arbeitslosigkeit, unterentwickelte Infrastruktur, marode Bausubstanz: Ja, das findet man auch im Süden Hamburgs - wohl sogar mehr als nördlich der Elbe. Manches kann die Stadt reparieren. Dazu kann sie Voraussetzungen für die Ansiedlung neuen Gewerbes schaffen. Entscheidend ist: Einige Probleme werden rasch gelöst, andere bedürfen der Zeit.

Zur Ehrlichkeit gehört, sich den Bausünden der Vergangenheit - bis hin zum Abriss! - zu stellen. Im brandenburgischen Schwedt/Oder hat man fast alle elfgeschossigen Plattenhochhäuser abgerissen, ein ganzes Quartier zu einem Park gemacht, andere Plattenbauten wiederum durch neue Fassaden und über zwei Geschosse reichende Wohnungen aufgewertet.

Zur Ehrlichkeit gehört auch die Einsicht, dass in einer Metropole Menschen vor allem in ihrem Quartier und angrenzenden Vierteln leben. Nur weil jemand noch nie in Wilhelmsburg oder Sasel war, ist er kein schlechter Hamburger. Sublokale Identität ist ein Merkmal von Großstädten. Die Politik kann diese nicht beseitigen, muss aber dafür sorgen, dass kein Stadtviertel abgehängt wird. Deshalb muss die forcierte Entwicklung von Hamburgs Süden noch lange Vorrang haben.