Nach der Fehlprognose zum Bedarf an Kita-Plätzen steht die Stadt vor einer Reihe von Problemen. Auf den Schulbetrieb soll es sich nicht auswirken

Hamburg Nach der Fehlprognose über die Zahl der benötigten Kita-Plätze wird der Haushalt der Sozialbehörde zusätzlich mit etwa 20 Millionen Euro belastet. Die Berechnungen des Basisdatenausschusses unter der Leitung des Statistikamts Nord sollen den Behörden eigentlich bei ihren Planungen helfen. 4350 Kita-Kinder wurden aber übersehen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen:

Warum hat die Sozialbehörde den Rechenfehler erst jetzt bemerkt?

Jedes Jahr im Sommer überprüft die Sozialbehörde die Prognosen des Basisdatenausschusses und vergleicht die tatsächliche Anzahl der Kinder im Kita-Gutscheinsystem mit den Bevölkerungsprognosen.

Wie berechnen sich die zusätzlichen Kosten?

Experten sprechen von einem zweistelligen Millionenbetrag. Melanie Leonhard, familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, hält bis zu 20 Millionen Euro für realistisch. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) sagt: "Das wissen wir noch nicht genau, weil wir beispielsweise noch nicht exakt sagen können, wie viele Kinder sich auf Fünf-, Acht- oder Zwölf-Stunden-Gutscheine verteilen und wie viele Kinder eine Frühförderung brauchen. Das werden wir uns jetzt genau angucken."

Führt die Fehlprognose dazu, dass es zu wenig Erzieher geben wird?

Laut Sozialbehörde nicht. "Nein, da sehe ich keinen Zusammenhang", sagt Sozialsenator Scheele. Die zusätzlich errechneten Kinder würden ja bereits in den Kitas betreut. Scheele: "Wir sehen, dass der Markt angespannt ist wie in vielen anderen Berufen auch, aber es gibt strukturell derzeit keinen Erziehermangel in Hamburg." Das liege etwa daran, dass die Behörde die Ausbildungskapazitäten an beiden staatlichen Fachschulen erhöht und angefangen habe, eine berufsbegleitende Ausbildung für Menschen anzubieten, die bereits eine berufliche Erstausbildung haben. "Wir machen eine Umschulung über drei Jahre, voll qualifizierend, in Kooperation mit der Agentur für Arbeit. Wir laden Ende September zudem zu einer Jobbörse ein für alle Arbeitslosen und Arbeitsuchenden, die sich für den Erzieherberuf interessieren oder bereits eine entsprechende Ausbildung haben", so Scheele. Aber: Wenn "Kita-Plus" Anfang kommenden Jahres greife, also wenn Kitas mit einem hohen Anteil an Migrantenkindern mit mehr Erziehern ausgestattet werden, werde es möglicherweise eine Delle geben. Scheele: "Zeitweise kann es für die Kitas im Jahr 2013 schwerer sein, ad hoc passende Erzieher zu finden." Von 2014 an seien voraussichtlich wieder genug Erzieher auf dem Markt.

Was bedeutet die Fehlprognose bei den Kita-Plätzen für die Schule?

Laut Behördensprecher Peter Albrecht haben fehlerhafte Daten keine Auswirkungen auf den Schulbetrieb. "Dieser organisiert sich nämlich nicht nach den Prognosen, sondern nach den Anmeldezahlen." Das bedeutet, dass etwa die Lehrerzuweisungen an die Anmeldungen für die ersten und fünften Klassen gekoppelt sind. Lediglich bei der langfristigen Planung für die Einstellungen von Lehrkräften oder für den Schulbau werden die Prognosen herangezogen.

Werden die Etats der anderen Behörden ebenfalls auf Fehler überprüft?

Die Finanzbehörde sieht dazu keinen Handlungsbedarf. Senatssprecher Jörg Schmoll sagt, dass nicht aktiv nach Fehlern geforscht werde.

Wozu brauchen die Behörden überhaupt Datenmaterial über die Bevölkerung?

Die Verwaltung erbringt gegenüber den Bürgern Leistungen. Um diese besser zu steuern, muss sie unter anderem wissen, wie alt die Bevölkerung ist. Dies ist etwa wichtig bei der Planung von Krankenhäusern (alternde Gesellschaft) und der Organisation der Kinderversorgung. Aber auch Daten über die Erwerbstätigkeit sind wichtig, um dem Fachkräftemangel vorzubeugen.

Wie werden die Daten über die Bevölkerung erhoben?

Noch immer wird die Statistik auch noch von der Volkszählung aus dem Jahr 1987 gespeist. Gerhard Winck vom Statistikamt Nord: "Dazu addieren wir die Geburten und ziehen die Sterbefälle ab. Eingerechnet werden ebenfalls die Zuzüge und Fortgänge." Die Daten stammen aus den Standes- und Meldeämtern und werden monatlich erhoben. Daraus lassen sich zudem die Geburten- und Sterberaten errechnen. Auf diese Weise entstehen auch Prognosen. Winck: "Wir können die für die kommenden 30 Jahre relativ präzise berechnen."