Eine Glosse von Elisabeth Jessen

Groß Borstel ist nicht gerade für sein Nachtleben berühmt. Kino gibt es nicht, die Kneipen und Restaurants kann man an einer Hand abzählen. Also bleibt den Groß Borstelern gar nichts anderes übrig, als ihr abendliches Vergnügen außerhalb zu suchen. Leider ist der Rückweg nach dem Amüsement etwas zäh - eine U-Bahn gibt es nicht, Busse fahren nach Mitternacht kaum. Verkehrstechnisch liegt der idyllische Stadtteil, obwohl mitten in Hamburg, ziemlich verlassen. Und so fühlen sich die Bewohner des Stadtteils jetzt auch, seit sie das auch noch von der Wirtschaftsbehörde schriftlich bestätigt bekommen haben. Eine StadtRad-Station wurde nämlich deshalb abgelehnt, weil ein Fahrradstandort in Groß Borstel "relativ isoliert" läge.

Die Bewohner wollen sich jetzt weiter abstrampeln, um endlich auch offizielle Mieträder in ihren Stadtteil zu bekommen. Denn das bestehende Leihradsystem in Groß Borstel ist, nun ja, nicht ganz legal. Es funktioniert nach Angaben einer Insiderin nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Wer nächtens aus der U-Bahn am Lattenkamp steigt, sucht sich (Nachfrage) ein nicht angeschlossenes Fahrrad ("Angebot") und radelt nach Groß Borstel. "Und der Nächste, der zur U-Bahn will, bringt es wieder zurück. Das funktioniert schon seit 20 Jahren", sagt die Insiderin.

Klingt irgendwie nach idealer StadtRad-Kundschaft. Die roten Flitzer müsste dann auch keiner mehr klauen, und das Suchen am U-Bahnhof würde auch deutlich beschleunigt. Ganz nebenbei: Groß Borstel wäre dann endlich mittendrin statt außen vor.