Für den Bau der Linie S 4 müssen Privatgrundstücke gekauft werden. Im Überschwemmungsgebiet der Wandse gibt es Sorgen - und deutlichen Protest.

Hamburg. Die Wogen schlagen hoch. Bis zu 13 Meter Grundstück sollen die Anlieger für die neue S 4 hergeben, die Lärmschutzwände würden bis zu sieben Meter hoch an ihre Häuser rücken, und im Wandse-Überschwemmungsgebiet an der Birrenkovenallee fürchten die Anwohner um ihre trockenen Keller. Seit die Pläne zur neuen S 4 im Wandsbeker Verkehrsausschuss vorgestellt wurden, herrscht Aufruhr in den Häusern entlang der Bahnlinie von Hasselbrook bis Ahrensburg. Auch die Informationspolitik des Planers, der LVS Schleswig-Holstein GmbH, die eine frühe und nachhaltige Bürgerbeteiligung versprochen hatte, konnte die Anwohner bislang nicht überzeugen. Es formiert sich Widerstand.

Die Bahn will zwischen Hasselbrook und Ahrensburg die bestehende Trasse um zwei auf dann vier Gleise verbreitern. Der Nahverkehr soll innen, der Fernverkehr außen fahren. Profitieren würden der Güterverkehr nach Skandinavien, die S 4 mit einer Taktabsenkung auf zehn Minuten und der stark überlastete Hauptbahnhof, weil dort weniger Regionalzüge halten würden. Die laufenden Vorplanungen sollen 2015 in ein Planfeststellungsverfahren münden - ein formaler Akt, der bei Bauprojekten dieser Größenordnung vorgeschrieben ist. 2017 bis 2020 könnte dann wohl gebaut werden. Dabei sollen vier neue Haltestellen entstehen, der Bahnhof Wandsbek stillgelegt und die Bahnhöfe Tonndorf und Rahlstedt umgebaut werden.

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+++ Planer wollen neue S 4 auf privaten Grundstücken bauen +++

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Ulrich Weber, Anwohner der Birrenkovenallee und Zweiter Vorsitzender von Lärmschutz-Rahlstedt e. V.: "Wir hatten am 3. Juli ein Gespräch mit den Planern. Nicht, weil wir eingeladen worden wären, sondern weil wir uns darum bemüht haben. Dabei fiel dann zum Beispiel auf, dass die Planer gar nichts von einem Wandse-Überschwemmungsgebiet wussten." Jetzt wissen sie es zwar, aber umgeplant haben sie bisher nicht. Die LVS Schleswig-Holstein wollte sich gestern gegenüber dem Abendblatt nicht zu den Vorwürfen und Befürchtungen äußern.

"Wenn die Trasse wie jetzt vorgesehen verbreitert wird, kommt sie etwa zehn Meter näher an mein Haus heran", sagt Weber und hebt routiniert die Stimme, weil ein Zug vorbeirauscht. "Das bedeutet, dass zehn Meter Bahndamm aufgeschüttet werden müssen. Diese zehn Meter gehen an Schwemmfläche verloren, sodass die Wasserstände deutlich höher liegen werden. Zu hoch." Viele der etwa 15 Häuser entlang des Streckenabschnitts wurden in den vergangenen zehn Jahren aufwendig saniert oder haben als Neubauten wasserdichte Keller bekommen. "Aber nur bezogen auf die damals zu erwartenden Wasserstände", sagt Webers Nachbar Peter Schäffer. "Aber wenn die Wasserstände deutlich steigen, läuft es einfach durch unsere Haustür."

Dabei müsse die Trasse gar nicht so laufen wie von den Planern vorgestellt, meinen die Anwohner. "Auf der anderen Seite ist Platz, die Grundstücke sind städtisch", sagt Schäffer. "Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit." Die vielen Gartenteiche würden verschwinden, die Nistplätze des Eisvogels, die renaturierte Wandse müsste umgeleitet werden. "Und auf der anderen Seite ist ein bloß künstlich angelegter Entwässerungsgraben, der nie Wasser führt", sagt Schäffer. Sein Nachbar Bernd Sinnig moniert die Lärmschutzwände: "Das sind die alten, billigen Modelle: Die neuen sind gebogen und erreichen mit viel geringeren Höhen die gleichen Effekte."

Die Bahn will den gesamten Bahndamm neu machen, wenn sie die zwei zusätzlichen Gleise legt. Ausgehend von der alten Trasse kann die neue mal mehr links und mal mehr rechts davon laufen. Es gibt also Spielräume, um Härten zu umfahren. Aber trotzdem braucht die Bahn Grundstücke für die Verbreiterung der Trasse. Die meisten gehören ihr schon, aber viele, wie zum Beispiel in der Birrenkovenallee, muss sie erst kaufen.

Ist keine Einigung zu erzielen, kann der private Grundeigentümer wegen des "vorrangigen Interesses der Allgemeinheit" enteignet werden. Aber ein solches Verfahren ist langwierig, deshalb teuer und nützt keinem .

"Wir wollen alle die S 4", sagt Claus-Peter Schmidt, Vorsitzender von Lärmschutz-Rahlstedt e. V. "Aber wir wollen fair behandelt werden. Wir wollen erst einmal genau wissen, was an schmerzhaften Dingen auf uns zukommt." Er will möglichst alle Anwohner auf Hamburger Gebiet einen und eine Sammelvertretung organisieren. "So bekommen wir Schlagkraft, das hat sich schon bei der Durchsetzung des bestehenden Lärmschutzes bewährt." Erst einmal wollen sich die Betroffenen jetzt treffen, die Probleme auflisten und einen gemeinsamen Plan entwickeln, wie sie künftig vorgehen wollen.

Auch in der Küperkoppel ist die Betroffenheit groß. Etwa ein Drittel ihrer Grundstücke müssten die Küperkoppeler verkaufen, einen 13 Meter breiten Streifen. In Wandsbek könnte der neue Bahnhof Claudiusstraße, der beim Umsteigen in Bus oder U-Bahn kurze Wege garantieren soll, direkt an das Grundstück von Inge-Maria Weldemann grenzen. "Das will ich nicht. Aber da ist wohl nichts zu machen", sagt sie. Vielleicht hat sie Glück. Dann wird der Bahnhof in Richtung Robert-Schumann-Brücke verschoben, wo die ersten Wohnungen deutlich weiter entfernt liegen. Aber die Pendler müssten dann jeden Morgen beim Umsteigen in Bus oder U 1 weitere Wege in Kauf nehmen.