Der Hamburger Baustoffhersteller Holcim plant ein neues Pumpspeicherkraftwerk. 150 Jahre Zementproduktion in Lägerdorf.

Hamburg. Von oben betrachtet sind die beiden Kreidegruben "Saturn" und "Schinkel" nur zwei große Trichter. Heute werden sie kaum mehr genutzt. Doch künftig sollen sie zum Mittelpunkt eines 100-Millionen-Euro-Projekts des Hamburger Baustoffproduzenten Holcim werden. Die Deutschland-Tochter des weltweit agierenden Schweizer Holcim-Konzerns plant in Lägerdorf bei Itzehoe ein Pumpspeicherkraftwerk, über das nicht nur Strom für das Zementwerk erzeugt, sondern zudem überschüssige Energie ins Netz abgegeben werden kann.

"Eine erste Studie hat uns bereits bestätigt, dass das Projekt technisch machbar ist", sagte der Vorstandsvorsitzende von Holcim Deutschland, Leo Mittelholzer, dem Abendblatt. "Jetzt prüfen wir, ob es auch wirtschaftlich vernünftig ist und wie gut die Chancen für die Genehmigungen stehen." Möglicherweise könnten erste Ergebnisse für das Projekt noch in diesem Jahr vorliegen. Das wäre dann genau 150 Jahre nachdem der industrielle Abbau von Kreide als Grundstoff für die Zementproduktion in Lägerdorf einst begonnen hatte.

+++ Werk steht für Gäste offen +++

Das Prinzip des Kraftwerks, das gemeinsam mit dem Energieversorger E.on gebaut werden soll, beruht auf der unterschiedlichen Tiefe der beiden Gruben. "Saturn" reicht 60 bis 80 Meter hinab, "Schinkel" bis zu 110 Meter. Das Gefälle zwischen den beiden lässt sich nutzen, um Wasser durch einen geplanten drei Kilometer langen Stollen von oben nach unten über Turbinen und Generatoren laufen zu lassen, um so Strom zu erzeugen. Bei Stromüberschüssen ließe sich dann Wasser wieder in das höhere Becken zurückpumpen.

Als zusätzliche Energiequelle plant Holcim zudem mit dem Oldenburger Windenenergiespezialisten MDP einen Park, der später sowohl Strom für das Kraft- als auch für das Zementwerk liefern könnte. "Für den dortigen Bedarf sind 29 Anlagen mit einer Leistung von je 2,5 Megawatt nötig", sagt Holcim-Sprecher Jens Marquardt. Immerhin entspricht der Stromverbrauch des Werks dem einer Stadt mit 45 000 Vier-Personen-Haushalten.

Das Projekt, das künftig günstige Energie liefern soll, würde die Produktion in Lägerdorf zusätzlich sichern. Denn unter den Baustoffproduzenten herrscht seit Jahren durch Überkapazitäten ein harter Preiswettbewerb - vor allen in Metropolregionen wie Hamburg. "Energie- und Personalkosten steigen dagegen, sodass wir mit unserer Rendite nicht zufrieden sind", sagte Mittelholzer. So ging der Umsatz im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahrszeitraum von 178 auf 176 Millionen Euro zurück. Holcim musste einen Verlust von 16,7 Millionen Euro (im Vorjahr 10,2 Millionen Euro) hinnehmen, wie das Unternehmen gestern mitteilte. Ein weiterer Grund dafür ist, dass in den ersten sechs Monaten des Jahres hohe Kosten für Reparaturen verbucht wurden. "Der Schlüssel für das Geschäft ist stets das zweite Halbjahr, das dann oft besser ausfällt", sagte Mittelholzer. Klar ist für ihn: Die 1300 Jobs in den fünf norddeutschen Bundesländern, davon allein 330 in Lägerdorf, sind derzeit sicher. "Es gibt bei Holcim keine Abbaupläne."

Der Kunstname Holcim, den sich der Schweizer Konzern Holderbank im Jahr 2001 gegeben hatte, gilt für Hamburg seit 2003. Schon 1977 hatten die Schweizer aber die Mehrheit des ehemaligen Hamburger Unternehmens Alsen-Breitenburg übernommen. Die Geschichte der Zementproduktion begann in Lägerdorf schon 1862, sodass Holcim nun zum 150. Jubiläum zu einem Tag der offenen Tür lädt (siehe Infokasten). Sieben Unternehmen arbeiteten zunächst in Lägerdorf. Nach Insolvenzen, Übernahmen und Fusionen blieben dann nur die beiden Konkurrenten Breitenburg und Alsen übrig, die 1972 zusammengingen. Nach der Fusion mit der Nordcement AG in Hannover 1997 entstand zunächst die Alsen AG. Sechs Jahre später wurde sie in Holcim umbenannt. In Hamburg entstanden etwa die neue Lombardsbrücke, der Alsterkrugtunnel oder das Cinemaxx am Dammtor mit Beton aus dem Unternehmen. Auch für die Elbphilharmonie wurde Beton geliefert. Zu den weniger positiven Ereignissen in der Branche gehören immer wieder Durchsuchungen und Anklagen wegen des Verdachts auf Kartellabsprachen.

So hatte zuletzt das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf gegen fünf Zementhersteller ein Bußgeld von 328,5 Millionen Euro verhängt. Auf Holcim entfielen dabei 14,6 Millionen Euro statt zuvor 74 Millionen Euro wie sie das Bundeskartellamt gefordert hatte. Die Richter am OLG hatten das Strafmaß reduziert. "Auch gegen diese Entscheidung haben wir beim Bundesgerichtshof Rechtsmittel eingelegt", sagt Mittelholzer. Eine endgültige Entscheidung stehe derzeit noch aus.

"Wir schulen heute regelmäßig unsere Verkäufer und das Führungspersonal, um keine Unsicherheiten mehr aufkommen zu lassen", sagt Mittelholzer. "Absprachen, soweit sie überhaupt getroffen wurden, wird es nicht mehr geben. Für sie ist in unserem Denken kein Platz", so der Vorstandsvorsitzende.

Dagegen geht Mittelholzer davon aus, dass die Bauindustrie auch in 150 Jahren nicht ohne Beton auskommen wird. "Den Zugang zu den Rohstoffen für die Zementproduktion in Lägerdorf und in Höver bei Hannover haben wir uns bereits für die nächsten Jahrzehnte gesichert."