Staatsanwalt ermittelt. Jugendamt brachte den Jungen in ein Heim. Dort verging sich offenbar ein Betreuer an ihm

Hamburg. Ein Hamburger Jugendlicher, der unter kommissarischer Vormundschaft des Jugendamts Eimsbüttel stand, ist offenbar in einem Kinder- und Jugendheim von seinem einschlägig vorbestraften Vollzeitbetreuer sexuell missbraucht worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 62 Jahre alten Rendsburger. Wie bei den Skandalen um das an Methadon gestorbene Pflegekind Chantal und den Tod der kleinen Lara Mia, deren Eltern ebenfalls betreut wurden, haben die Behörden offenbar auch in diesem Fall ihre Kontrollfunktion nur unzureichend wahrgenommen.

Der mittlerweile 18 Jahre alte Junge war im Alter von 14 Jahren auf Betreiben des Jugendamts in das Heim nahe der Ostseeküste gekommen. Die Pflegemutter, bei der der Junge aufgewachsen war, erhebt schwere Vorwürfe. In der gesamten Zeit seien ihre Versuche, Kontakt zu David (Name geändert) aufzunehmen, unterbunden, möglicherweise jahrelanger Missbrauch dadurch erst möglich geworden. Der 18-Jährige berichtet, sein Betreuer habe ihm verboten, den von ihm gewünschten Kontakt zur ehemaligen Pflegemutter, die auch seine Tante ist, wieder aufzunehmen. Vom Jugendamt sei das unterstützt worden, weil der Junge in dem Heim "ankommen" solle. Das Jugendamt Eimsbüttel hatte die Vormundschaft in Amtshilfe für die Behörden in Ludwigshafen übernommen. Dort lebt die leibliche Mutter des Jungen.

Der unter Verdacht stehende 62-Jährige war 1994 schon einmal wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verurteilt worden. Der Heimbetreiber wusste davon nichts, weil die Tat verjährt und deshalb nicht im erweiterten Führungszeugnis aufgeführt war. Inzwischen wurde der Mann fristlos entlassen.

Der mutmaßliche Missbrauch ist der traurige Höhepunkt einer tragisch schiefgelaufenen Geschichte von missglückten Hilfsangeboten und mangelhafter Kontrolle. David, der schon als Kleinkind durch Vernachlässigung schwer traumatisiert war, hat nach den Erlebnissen im Heim jedes Vertrauen in Betreuer und Behörden verloren. Die Familie seiner Tante, bei der er jetzt wieder lebt, ist der einzige Halt des Heranwachsenden. Wenn nicht schnell etwas geschehe, drohe die Lage zu eskalieren, sagt die Tante in Eidelstedt, die sich Unterstützung bei dem Verein Freunde der Kinder e. V. gesucht hat. Vereinsmitbegründerin Gabriele Hesse spricht von einer "Missachtung des Vormundsauftrages".

Nach Abendblatt-Informationen hat die Mitarbeiterin des Jugendamts Eimsbüttel, die mit dem Fall betraut war, den Jungen in seinen dreieinhalb Jahren im Heim lediglich ein- oder zweimal besucht. Stephan Glunz, Sprecher des Bezirksamts Eimsbüttel, sagt: "Bis Juni 2010 war die Häufigkeit der Besuche rechtlich nicht klar geregelt. Die Personalressourcen waren sehr begrenzt. Ein Amtsvormund hatte im Schnitt 70 Fälle zu betreuen." Inzwischen sei das Personal aufgestockt worden. Auch die Jugendämter hätten immer wieder angemahnt, dass sich die Situation der Vormünder ändern müsse. Als die Mitarbeiter von Davids Fall hörten, seien sie "geschockt" gewesen.