Der Stadtplan-Erbe erringt einen Etappensieg vor Gericht. Die Stadt Hamburg zieht nur Bruchteil der Summe ein, die er durch Betrug erlangte.

Hamburg. Das war es für die Stadt Hamburg - gemessen an dem, was möglich gewesen wäre, geht sie fast leer aus. Das Landgericht hat gestern entschieden, dass Stadtplan-Erbe Alexander Falk, 43, keine 30 Millionen Euro an die Stadt zahlen muss. Von der Anordnung eines sogenannten Wertersatzverfalls sah es mit Rücksicht auf die Schadenersatzansprüche der britischen Firma Energis ab. Weil ihre Forderungen vorrangig seien, so das Gericht, dürfe das Geld nicht an den Staat fallen.

Indem er die Bilanzen frisierte, trieb Falk vor zwölf Jahren den Wert seiner Internetfirma Ision künstlich in die Höhe. Energis kaufte Ision und zahlte dafür einen ungerechtfertigten, überteuerten Preis. Die 30 Millionen Euro, die der Stadtplan-Erbe aus dem betrügerischen Geschäft erlangt haben soll, zog die Hamburger Staatsanwaltschaft noch während der Ermittlungen ein. Dennoch - ganz leer geht die Stadt nicht aus: Tully ordnete an, der Ehefrau von Falk "zwei Millionen Euro aus dem Portemonnaie zu nehmen". Die Summe sei unter anderem in den Ankauf einer Haushälfte in Harvestehude geflossen.

+++ Der Fall Falk - vom Neuen Markt ins Gefängnis +++

+++ Zur Person: Alexander Falk +++

Es ist eine Art Etappensieg für den einstigen Börsenstar, der auch an diesem Tag lächelt und anscheinend entspannt im Gerichtssaal sitzt. Das mag auch daran liegen, dass das Urteil keineswegs überraschend kommt: Schon beim Prozessauftakt Ende Juli hatte Richter Marc Tully durchblicken lassen, dass er keinen Wertersatzverfall anordnen dürfe, solange noch zivilrechtliche Ansprüche vonseiten der geschädigten Energis bestehen.

Das führt zu einer kuriosen Situation: Falk hat zwar gegen den Staat gewonnen, doch die eigentliche Schlacht wird vor dem Hamburger Zivilgericht entschieden. Dort hat ihn die Energis auf 208 Millionen Euro Schadenersatz verklagt. Erst vor zwei Wochen hieß es von der mit dem Fall befassten Zivilkammer 27 des Landgerichts, die Klage sei in dieser Höhe "schlüssig". Allerdings erkennen Falks Anwälte die Ansprüche der britischen Firma nicht an. Angeblich erwägt nun Falks Schwiegervater, die Forderungen von Energis aufzukaufen. Ein Urteil wird für den 20. September erwartet.

Die 208 Millionen Euro erhielt Falk damals in bar für den Ision-Verkauf. Insgesamt zahlte Energis für die Firma, die unter anderem Websites für die ARD betrieb, 812 Millionen Euro. 31,6 Millionen Euro soll Falk aus dem faulen Deal persönlich abgeschöpft haben. Geld, das ihm nach deutschem Recht nicht zusteht, weil es aus einer Straftat stammt. Per Wertersatzverfall geht das kriminell Erlangte in Fällen wie diesen meist an den Staat. Das Verfallsrecht sei vom Gedanken der Gerechtigkeit geprägt, sagte Tully. "So wie der Drogendealer, der mit der Tatbeute einen Sportwagen kauft - und diesen Sportwagen loswird, weil die Staatsanwaltschaft ihn beschlagnahmt." 2008, als Hamburger Richter Falk nach einem Mammutverfahren wegen versuchten Betrugs zu vier Jahren Haft verurteilten, ordneten sie jedoch keinen Verfall an. Grund: Sie konnten nicht aufklären, in welchem Umfang sich Falk einen Vermögensvorteil verschafft hatte. Der Bundesgerichtshof (BGH) verwies die Sache daher im Vorjahr nach Hamburg zurück.

Zwei Millionen Euro hat Familie Falk nach dem Urteil nun an die Stadt verloren. Gefordert hatte die Staatsanwaltschaft im Fall von Falks Frau Nadia sogar einen Verfall in Höhe von 5,2 Millionen Euro. Ungerecht sei das Urteil nicht, so Tully. "Wenn es Herrn Falk nicht gelungen wäre, das Geld in diese Richtung zu bewegen, hätte die Staatsanwaltschaft es einkassiert."

Falks Verteidiger Thomas Bliwier kündigte an, im Fall von Nadia Falk werde Revision eingelegt. Weil ihrem Mann nach dem gewonnenen Prozess kein Rechtsmittel bleibt, ist es nur über sie möglich, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Dort wollen Falks Anwälte endgültig klären lassen, ob vom Verfall nur der Reingewinn oder alles erfasst wird, was durch eine Straftat erlangt worden ist. Beide Positionen werden von Senaten des BGH vertreten. Zum Hamburger Urteil sagte Bliwier: "Es ist schwierig, wenn man - mit falscher Begründung - recht bekommt. Gründe für einen Verfall liegen nicht vor, und es liegen auch keine Ansprüche der Geschädigten vor." An seine Millionen käme Falk nur, wenn das Urteil rechtskräftig würde und die Zivilkammer keine Schadenersatzansprüche anerkenne. Doch so leicht werden es ihm die Energis-Anwälte wohl kaum machen.