Es gibt Wörter im Deutschen, die lauten zwar gleich, werden aber verschieden geschrieben

Es gibt Wörter im Deutschen, die klingen gleich, sind es aber nicht. Dabei handelt es sich um die sogenannten Homofone (Schreibweise nach Duden-Empfehlung) oder meinetwegen auch Homophone . Ein Homophon ist ein Wort, das mit einem anderen gleich lautet, aber verschieden geschrieben wird, z. B. Lehre - Leere, Weise - Waise oder sogar dreifach Ferse - Verse - Färse . Eine Lerche kann auf einer Lärche sitzen, eine Lärche aber nicht auf einer Lerche.

Dass Homo irgendetwas mit gleich zu tun hat, haben wir inzwischen gelernt, und dass Phon als Laut, Lärm oder gar Krach zu verstehen ist, merken wir Älteren spätestens, wenn wir taub aus der Disco taumeln, in der wir unsere Enkel gesucht haben. Auf diese Weise erklärt sich dieser sprachwissenschaftliche Fachbegriff.

Beim Sprechen hören wir keinen Unterschied. Allerdings benötigen wir den Satz, um dem Wort seine Bedeutung zuordnen zu können. Wenn der Chef beispielsweise diktiert: "Die Lehre ...", kann die Sekretärin noch nicht losschreiben; erst wenn er fortfährt: "... aus dieser bedauerlichen Angelegenheit ...", darf sie mit dem Tippen beginnen. Auch im Schuldiktat (zu meiner Zeit wurden sogar in der Oberprima noch Diktate geschrieben) kann der Lehrer kein Wort einzeln diktieren. Wir verlangen nach dem Satz.

Falls wir aber den Kontext nötig haben, um die Schreibweise festzulegen, brauchten wir eigentlich keine unterschiedliche Schreibweise, um den Text zu verstehen. Doch auch hier haben die Rechtschreibreformer, allen Behauptungen zum Trotz, nichts geändert. Es blieb beim Alten.

Jeder kann leicht unterscheiden, ob jemand seine Lehre als Tischler beendet hat oder nach der Zeitungslektüre eine Leere im Kopf spürt, aber weitaus schwieriger wird es bei den Homophonen Seite - Saite . Sobald wir neue Seiten aufschlagen, blättern wir im Buch, falls wir jedoch neue Saiten aufziehen, schlagen wir andere und meistens unangenehme Töne an, gehen strenger vor, ergreifen härtere Maßnahmen. Bei dieser Saite handelte es sich ursprünglich um einen Strang, der auf ein Musikinstrument gespannt wird, um Töne zu erzeugen. Doch nicht nur auf der Geige können die Saiten erklingen, sondern auch im Menschen, wenn ein Erlebnis ganz neue Saiten in ihm zum Klingen bringt. Dann erleben wir andere Seiten an ihm.

Diese Beispiele zeigen auch, dass ein dem Abendblatt von verschiedenen Lesern immer wieder empfohlenes Rechtschreibprogramm nicht helfen würde. Ein Rechtschreibprogramm auf dem Computer oder auf dem Redaktionssystem ist nichts weiter als ein Spellchecker, der bestimmte Zeichenfolgen kennt oder nicht kennt. Ein solches Programm hat aber sowohl Saite als auch Seite gespeichert. Den jeweiligen Sinn des Wortes wird nur ein Mensch ergründen. Ein Rechtschreibprogramm verhindert keinen solcher Fehler.

Bisher haben wir lediglich Substantive als Homophone untersucht. Komplizierter wird es, wenn wir zum Beispiel bei das - dass oder wieder - wider auch noch verschiedene Wortarten unterscheiden müssen; wieder ist ein Adverb und bedeutet "nochmals, erneut, zum Früheren zurück", wider ist eine Präposition mit der Bedeutung "gegen" - wider Willen, wider Erwarten, wider jemanden Anklage erheben oder gar: Der Redner schimpfte wieder wider die Verlogenheit der Politik .

Dem Wörtchen wider haftet heute als Präposition oder Präfix (Vorsilbe) etwas Gehobenes an, so ein gewisser Widerhall, da wird niemand widersprechen, von Wagner und Walküre. Im täglichen Sprachgebrauch finden wir das Verb widerspiegeln .

Wenn wir in den Spiegel schauen, wird unser Gesicht nicht wieder gespiegelt, sondern in diesem Fall widergespiegelt , nämlich zurückgeworfen. Die Kenntnis dieser Schreibweise sagt viel über die Orthografie eines Schreibers aus. Wenn ein Brief beginnt: "Diese Fehler spiegeln die Dummheit Ihrer Redaktion wieder", lohnt sich wohl keine Antwort.

Die Präposition wider steht übrigens synonym zu gegen mit dem Akkusativ, nicht mit dem Dativ oder Genitiv. Es heißt also richtig wider besseres Wissen, wider alles Erwarten oder wider seinen ausdrücklichen Wunsch , nicht etwa "wider besseren Wissens", wie es häufig zu lesen ist. Der Genitiv mag vom Aussterben bedroht sein, aber deshalb müssen wir ihn ja nicht gleich überfüttern.

Der Verfasser, 71, ist "Hamburgisch"-Autor und früherer Chef vom Dienst des Abendblatts. Seine Sprach-Kolumne erscheint dienstags