Hamburg-Nord: Gestern Abend wurde Harald Rösler (SPD) mit 49 von 51 Stimmen zum neuen Bezirksamtschef in Hamburg-Nord gewählt.

Eppendorf. Harald Rösler (SPD) ist jetzt offiziell Leiter des Bezirksamts Hamburg-Nord. Die Abgeordneten der Bezirksversammlung wählten den 62 Jahre alten Verwaltungsfachmann am Donnerstagabend mit 49 von 51 Stimmen zum Nachfolger von Wolfgang Kopitzsch (SPD). Einen Gegenkandidaten gab es nicht. Rösler hatte das Amt seit Januar bereits kommissarisch geführt, weil Kopitzsch zum Polizeipräsidenten berufen worden war.

Im Abendblatt-Interview skizziert der 62-Jährige seine Pläne für den Bezirk und rechnet vor, wie Hamburg-Nord trotz Sparmaßnahmen ein lebenswerter Bezirk bleibt. "Alle Dienstleistungen und Angebote müssen auf den Prüfstand. Wir wollen qualitativ viel erhalten, können aber vielleicht Aufwand oder Umfang reduzieren. Es geht um intelligente Lösungen", sagt der neue Bezirksamtsleiter.

Hamburger Abendblatt: Herr Rösler, geht mit der Wahl zum Bezirksamtsleiter in Nord ein Lebenstraum in Erfüllung?

Harald Rösler: Nein, warum?

Sie kennen diesen Bezirk seit mehr als einem Vierteljahrhundert, haben den Job bereits zweimal kommissarisch gemacht und konnten nicht mehr damit rechnen, Bezirkschef zu werden.

Rösler : Das stimmt. Ich dachte, Wolfgang Kopitzsch und ich als sein Stellvertreter würden die fünf Jahre hier zusammen beenden. Dass er Anfang des Jahres Chef der Polizei wurde, hat alle Pläne durchkreuzt.

Und Sie haben die Chance ergriffen.

Rösler : Ja, das war eine überraschende Perspektive für mich, aber ich musste nicht lange überlegen. Denn die Aufgabe ist unheimlich spannend.

Was werden Sie anders machen als Ihr Vorgänger?

Rösler: Wir lagen auf einer Wellenlänge. Ich werde versuchen sehr dicht an den Menschen dran zu sein. Wenn ich morgens im Abendblatt lese, dass es irgendwo im Stadtteil Probleme gibt, werde ich versuchen dort auf dem Weg zur Arbeit vorbeizufahren und mit den Beteiligten zu sprechen. Ich will auf die Menschen zugehen. Und bei Veranstaltungen werde ich nicht nur mit denen sprechen, die ich sowieso schon kenne, sondern mit möglichst vielen Leuten, die ich noch nicht kenne. Nur so erfährt man etwas Neues.

Was wird die größte Herausforderung?

Rösler: Die erfolgreiche Durchsetzung des Wohnungsbauprogramms des Senats. Das bedeutet, dass wir im Bezirk Hamburg-Nord bis zum Jahr 2015 jedes Jahr Baugenehmigungen für wenigstens 900 Wohnungen erteilen werden. Zurzeit liegen wir für 2012 mit mehr als 1400 sogar schon über dem Soll. Aber es wird schwer genug, die Zahl in jedem Jahr zu erreichen.

Da drohen Konflikte, etwa mit den Kleingärtnern an der Hebebrandstraße.

Rösler: Dort geht es um 330 Kleingärten, von denen wir 160 auf den neuen Freiflächen des dort entstehenden Quartiers mit insgesamt 1350 Wohnungen unterbringen wollen. Die restlichen Kleingärten wollen wir an anderen Standorten ersetzen, zum Beispiel 60 an unserem bisherigen Anzuchtgarten am Bahnhof Saarlandstraße. Wir sprechen mit den Beteiligten, mein Ziel ist größtmögliche Transparenz. Ich werde deshalb jedem Einzelnen in einem Brief ganz genau unsere Verfahrensschritte darlegen und darum werben, uns im weiteren Planungsprozess zu unterstützen. Natürlich ist es für Menschen, die sich manchmal über Jahrzehnte ein kleines grünes Paradies geschaffen haben, schwer, dieses aufzugeben. Aber bis Ende 2014 soll dieser Klärungsprozess abgeschlossen sein. Übrigens haben wir vorgestern aktuell im Rahmen unseres Beteiligungsverfahrens für das neue Quartier den Namen "Pergolen-Viertel" entwickelt.

Ihre Wahl ohne Gegenkandidaten zeigt, dass die Bezirkspolitiker großes Vertrauen in Sie setzen und Sie ein Bezirksamtsleiter über Parteigrenzen hinweg sein können. Gleichzeitig werden Sie sich aber auch klar positionieren müssen. Wo sehen Sie mögliche Konflikte mit den Parteien?

Rösler: Mir geht es darum, vernünftige und sachliche Entscheidungen für den Bezirk zu treffen. Darum werde ich bei allen Fraktionen werben. Aber ich kann mir vorstellen, dass es Meinungsverschiedenheiten darüber geben wird, wenn wir Veränderungen im Leistungsangebot des Bezirksamts vornehmen.

Wenn durch Sparmaßnahmen Dienstleistungen oder Angebote gekürzt oder ganz gestrichen werden müssen.

Rösler: Das will ich ja nicht. Aber wir werden den Haushaltsrahmen einhalten müssen, den der Senat uns Ende des Jahres vorgibt. Die Bezirke müssen die Sparanstrengungen für die vereinbarte Schuldenbremse mittragen. Alle Dienstleistungen und Angebote müssen auf den Prüfstand. Wir wollen qualitativ viel erhalten, können aber vielleicht Aufwand oder Umfang reduzieren. Es geht um intelligente Lösungen.

Ein Beispiel?

Rösler: Zum Beispiel stehen uns für Seniorentreffs zehn Prozent weniger Mittel zur Verfügung. Bevor wir eine gut funktionierende Einrichtung schließen, verhandeln wir lieber mit dem Vermieter über einen geringeren Mietzins. So können wir den Seniorentreff erhalten und trotzdem sparen.

Wie groß ist der Spielraum des Bezirks angesichts von Schuldenbremse und Haushaltskürzungen?

Rösler: Der Spielraum wird enger. Also müssen wir bestimmte Dinge anders machen. Zum Beispiel überprüfen wir gerade, ob man bestimmte Anträge wirklich jedes Jahr stellen muss - oder ob das nicht auch alle zwei Jahre ausreichend ist.

Bei den sozialen Diensten werden Sie angesichts der Diskussion nach dem tragischen Tod der elfjährigen Chantal kaum sparen können.

Rösler: Einen tragischen Einzelfall wird man nie 100-prozentig ausschließen können, aber wir müssen herausfinden, wo Schwachstellen im System sind, und diese konsequent beseitigen.

Gibt es soziale Brennpunkte im Bezirk?

Rösler: Ja, am ehesten wohl in Dulsberg. Dort hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel zum Guten getan, und es sieht nicht wie die Bronx aus. Aber soziale Probleme können lokal überall auftauchen. Da müssen wir aufpassen.

Was macht den Bezirk Hamburg-Nord so liebenswert?

Rösler: Er bietet mit Flughafen, Lufthansa-Werft und Airbus, dem UKE oder der City Nord und vielen anderen Unternehmen interessante und hochwertige Arbeitsplätze für Menschen aus aller Welt. Für Familien gibt es zum Beispiel in Barmbek-Nord und anderen gewachsenen Wohnquartieren hohe Lebensqualität mit noch erschwinglichem Wohnraum. Mit dem Alsterwanderweg, dem Friedhof Ohlsdorf oder dem Stadtpark bietet der Bezirk außerdem einen sehr hohen Freizeitwert.