Die unkalkulierbaren Kosten der deutschen Energiepolitik werden zum neuen Restrisiko.

Das Reaktorunglück im japanischen Fukushima, gleichsam der Wendepunkt der deutschen Energiepolitik, liegt erst 17 Monate zurück. Aber das Ohnmachtsgefühl angesichts der Katastrophe, welche für Kanzlerin Angela Merkel das größtmögliche Ausmaß des kleinen Wörtchens Restrisiko veranschaulichte und bei ihr zu einem Umdenken führte, verschwindet langsam aus dem öffentlichen Bewusstsein. Ein anderes Ohnmachtsgefühl macht sich breit: Der Bürger merkt, dass er für den beschleunigten Umstieg auf die erneuerbaren Energien kräftig zahlen soll. Da schlägt auf der einen Seite die energetische Sanierung der Häuser durch steigende Mieten und Kaufpreise zu Buche. Auf der anderen Seite drohen die Energiekosten für Normalverbraucher zum Fass ohne Boden zu werden.

Die Energiepolitik hat seit Fukushima neues Restrisiko erzeugt - das der unkalkulierbaren Kosten. Kein Wunder also, dass von der anfänglichen Erleichterung über den beschleunigten Ausstieg aus der Kernkraft nichts mehr übrig ist. Die Energiewende hat sich zu gesellschaftlichem Ballast entwickelt. Die Stimmung droht zu kippen, gerade weil die Gründe für den Missmut auf der Hand liegen: Die stetig steigende Umlage für den Ausbau der Ökoenergien - und damit die Förderkosten für die Energiewende - tragen vor allem die Privathaushalte und kleinere mittelständische Unternehmen. Während sie zur Kasse gebeten werden, bleiben die energieintensiven Industrien weitgehend verschont. Ihnen will die Regierung die Wettbewerbsfähigkeit nicht nehmen. Bei ihnen gehen der Erhalt von Arbeitsplätzen und Exportchancen vor. Bei anderen Zweigen, etwa der Textilbranche, gibt sich die Koalition weniger fürsorglich. Die Textilunternehmen müssen kräftig zahlen und klagen zu Recht gegen die Ungleichbehandlung.

Berechtigt sind genauso die Beschwerden der Verbraucherzentralen über die intransparenten Ausnahmeregeln, bei denen selbst die Rechenzentren von Sparkassen eine Sonderregelung genießen.

Bei der Energiewende tut die Koalition das Gegenteil von dem, was sie 2009 versprochen hat: die Bürger zu entlasten. Viele schwache Schultern tragen die Last dieses vermeintlichen Prestigeprojekts. So hatte sich die Bevölkerung die Energiewende bei der Ankündigung im März 2011 sicher nicht vorgestellt. Es fehlt ein Masterplan, der Orientierung gibt, der die Menschen mitnimmt, sie überzeugen und begeistern kann. Ein Plan, der nachvollziehen lässt, warum alle mehr zu tragen haben, damit sich Deutschland weltweit zum Vorreiter für ökologische Energien entwickeln kann. Das Konzept gibt all dies noch nicht her. Nicht nur die Euro-Rettung will erklärt sein, auch die Energiepolitik bedarf demokratischer Legitimation.

Es mag ja sein, dass Umweltminister Peter Altmaier (CDU) momentan der richtige Mann ist, um die Wende zu erklären. Energiegeladen, entschlossen und zugleich diplomatisch tritt er auf. Nur läuft ihm die Zeit davon. Seine ersten Monate im Amt waren geprägt von Ankündigungen und Willensbekundungen. Allein: Wir wissen noch immer nicht, wozu er in der Lage ist. Daran ändert auch seine medienwirksame Vorstellung eines Zehn-Punkte-Plans nichts. Altmaier braucht schnellstens vorzeigbare Ergebnisse. Ein Jahr bleibt ihm noch, ein System zu entwickeln, das die Kosten der Energiewende fair verteilt.

Noch erweckt Schwarz-Gelb den Eindruck, als ginge es in erster Linie darum, energieintensive Branchen vor zu hohen Kosten zu bewahren. Doch die werden nicht die Wahl 2013 entscheiden. Das tun die Bürger. Aber eine Regierung, die diese mit einem erschütterten Gerechtigkeitsempfinden und ungeahnten finanziellen Einbußen zurücklässt, darf sich am Wahltag nicht über Konsequenzen wundern.